6. Juli 2024

Propsteitag entwickelt viele neue Ideen

Wegweisende Diskussionen und inspirierende Workshops auf Schloss Laubach

Am Mittwoch, 3. Juli, war das historische Schloss Laubach der Schauplatz für den großen Propsteitag 2024 der Propstei Oberhessen. Unter dem Motto „Veränderungen, Herausforderungen und Chancen der Evangelischen Kirche“ versammelten sich dort zahlreiche Pfarrer, Kirchenmusiker und Gemeindepädagogen aus der gesamten Region. Eingeladen hatte Pröpstin für Oberhessen, Dr. Anke Spory, um gemeinsam über die Zukunft der Kirche im ländlichen Raum zu diskutieren.

 

Hauptthema war die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), die unter dem Titel „Wie hältst du’s mit der Kirche?“ veröffentlicht wurde. Diese umfassende Studie, die seit 1972 alle zehn Jahre durchgeführt wird, liefert wertvolle Erkenntnisse zur aktuellen Lage der Kirchen in Deutschland. Der Soziologe und Sozialwissenschaftler Dr. Christopher Jacobi vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) präsentierte die wichtigsten Ergebnisse dieser umfangreichen Studie. Mit 5282 Befragten und insgesamt 592 Fragen ist die KMU die größte Studie zur aktuellen Lage der Kirchen in Deutschland.

 

Die Datenerhebung der sechsten KMU fand Ende 2022 statt, und erstmals wirkte auch die katholische Kirche mit. Die Studie ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung Deutschlands, unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Eine regionale differenzierte Auswertung ist möglich, da die Wohnorte der Befragten bekannt sind. Ergänzend wurden kirchliche Meldedaten einbezogen.

 

Jacobi erläuterte, dass die Kirchenbindung und Religiosität in Deutschland weiterhin abnehmen. Während 56 Prozent der Bevölkerung angeben, dass Religiosität in ihrem Leben keine Rolle spielt, gehört nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung zu den kirchlich-religiös orientierten Menschen. Besonders „beunruhigend“ sei, dass viele Menschen nach ihrem Austritt aus der Kirche keine neue religiöse Bindung suchen, was zu einem generellen Rückgang des Glaubens führt.

 

„Besonders junge Menschen sind ein Schlüssel zur Zukunft der Kirche. Es ist wichtig, dass sich in der kirchlichen Arbeit besonders auf die jüngsten Generationen konzentriert wird. Denn in Kindheit und Jugend werden Weichenstellungen für spätere Einstellungen zu Glaube, Religion und Kirche gelegt“, betonte Dr. Jacobi.

 

Die Bevölkerung vertraut eher der Diakonie/Caritas als den beiden Großkirchen. In den letzten zehn Jahren haben die beiden Großkirchen spürbar an Vertrauen verloren. Die Menschen stehen der Kirche kritisch oder indifferent gegenüber. Die Verbundenheit zur Kirche ist stabil geblieben, obwohl die sehr hohe Verbundenheit erodiert ist.

 

Ein weiteres zentrales Ergebnis der KMU ist die große gesellschaftliche Bedeutung der Kirche. Trotz abnehmender Kirchenbindung bleibt die soziale Reichweite der Kirchen hoch. 35 Prozent der Bevölkerung hatten in den letzten zwölf Monaten Kontakt zu einer kirchlichen Einrichtung, und 45 Prozent berichteten von Kontakten zu kirchlichen Mitarbeitenden. Diese Kontakte sind oft wichtig für den Lebensalltag der Menschen und unterstreichen die Rolle der Kirche als soziale Institution.

 

Die Bevölkerung hat hohe Erwartungen an die Kirche, insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Flüchtlingshilfe und soziale Arbeit. 80 Prozent der Evangelischen sind der Meinung, dass die Kirche sich grundlegend verändern muss, um eine Zukunft zu haben. Die EKHN hat diesen Wandel bereits mit dem Reformprozess „ekhn2030 - Licht und Luft zum Glauben“ begonnen, der darauf abzielt, notwendige Einsparungen umzusetzen und die Kirche zukunftsfähig zu machen.

 

Der Propsteitag bot nach dem KMU-Vortrag zahlreiche Workshops zu Themen wie Kirchenmusik, Soziales, Kasualien, Religionspädagogik, Social Media und Neue Gemeindeformen. Die zentrale Frage aller Workshops lautete: „Und jetzt?“ – Wie können wir mit den Ergebnissen der KMU die Kirche im ländlich geprägten Raum weiterentwickeln? Pröpstin Dr. Anke Spory betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass „der Tag erfolgreich ist, wenn die Teilnehmenden mit mehr Fragen nach Hause gehen, als sie gekommen sind“.

 

Laubachs Pfarrer Jörg Niesner, Mitglied des Vorbereitungsteams, betonte auch die Bedeutung des Austauschs und der Vernetzung: „Wir wollen hier heute einen besonderen Ort schaffen, an dem wir gemeinsam über die Zukunft unserer Kirche nachdenken können.“ Auch Celina Gräfin zu Solms-Laubach, Gastgeberin und Hausherrin sowie auch aktives Mitglied im Kirchenvorstand in Laubach, unterstrich die Bedeutung des Miteinanders: „Das Wort ‚zusammen‘ steht heute im Mittelpunkt des Tages.“

 

Die musikalischen Beiträge von Daniela Werner (Dekanatskantorin Gießener Land), Anja Martine (Dekanatskantorin Gießener Land), Christoph Becker (Dekanatsmusiker Gießener Land) und Claudia Regel (Dekanatskantorin Vogelsberg) brachten eine besondere Atmosphäre in den Tag und zeigten, wie verbindend und inspirierend Musik sein kann.

 

„Wir haben heute viel diskutiert und viele neue Ideen entwickelt. Nun ist es wichtig, die gewonnenen Erkenntnisse und Impulse in die Praxis umzusetzen“, schloss Pröpstin Spory den Tag ab. (pm)

 

INFO

Die Propstei Oberhessen ist eine der fünf Propsteien (Regionalgliederungen) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit Sitz in Gießen. Zur Propstei Oberhessen gehören fünf Dekanate: Büdinger Land, Gießen, Gießener Land, Wetterau und das Dekanat Vogelsberg.

Mehr Informationen zur sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) gibt es auf der Website www.kmu.ekd.de, die den German Web Award gewonnen hat. Auf dem Online-Portal gibt es zudem Begleitstudien zu Themen wie Kirchenmusik,

Wertorientierungen, Entscheidungsverhalten und die Kommunikation des Evangeliums.