gedanken zum sonntag


Martha und der Drache

von Friedrich Fuchs

für den 1. Juni 2025

Pfarrer Friedrich Fuchs. © Daniel Lijovic
Pfarrer Friedrich Fuchs. © Daniel Lijovic

In der südfranzösischen Stadt Tarascon wird jedes Jahr ein großes Stadtfest gefeiert. Höhepunkt ist der Umzug, bei dem die Nachbildung eines Drachens durch die Straßen gefahren wird. Das hat folgenden Grund: Als in der Mitte des ersten Jahrhunderts die Christen im Heiligen Land verfolgt wurden, musste auch Martha fliehen. Sie hatte zum Freundeskreis Jesu gehört. Mit Freundinnen und Gefährten bestieg sie ein Schiffchen und fuhr auf dem Mittelmeer an Italien vorbei bis nach Marseille. Hier stieg sie an Land und gründete ein Kloster.

 

In den Wäldern zwischen Avignon und Arles lebte ein Drache namens Tarasque. Der fraß Bauern und gelegentlich eine frische Jungfrau oder einen hübschen Knaben. Das war den Leuten ziemlich lästig. Eines Tages kam Martha in diese Gegend und erfuhr davon. Unverzüglich ging sie zur Drachenhöhle, hielt dem Drachen ein Kreuz hin, besprengte ihn mit Weihwasser und redete ihm höchst wortreich zu. Das hatte Wirkung. Betroffen erklärte der Drache, er werde seine Ernährung umstellen und auf Menschenverzehr verzichten. Martha freute sich. Dem Drachen wars recht.

 

Damit nun die Menschen von dieser schönen Wendung erfuhren, begab sich Martha in die nächste Stadt. Das war Tarascon. Den freundlich gewordenen Drachen führte sie an einer Schnur hinter sich her. Auf dem Marktplatz machte sie halt. Als reichlich Leute und Gaffer beisammen waren, rief sie: Fürchtet euch nicht! Seht den Drachen an: Er hat sich geändert! Er, der früher Menschen fraß und Leid brachte, wird das von nun an nicht mehr tun. Lasst ihn bei euch wohnen! Nehmt ihn auf in eure Gemeinschaft! Die Leute trauten der heiligen Frau aber nicht. Sie stürzten sich auf den Drachen, schlugen ihn tot und rissen ihn in Stücke. Die warfen sie in den Fluss Rhone. Martha wurde darüber sehr traurig und starb kurze Zeit später. Ihre irdischen Reste befinden sich heute in der Kirche Sainte-Marthe in Tarascon. Ein angesagtes Pilgerziel sind sie längst nicht mehr.

 

Neulich standen wir wieder einmal bei Moni zusammen. Da habe ich die Geschichte von Martha und dem Drachen erzählt. Hans meinte: Echt dumm gelaufen! Was hätte nicht alles werden können, wenn der Drache am Leben geblieben wäre. Ich stelle mir vor, wie da irgendwann im Mittelalter ein kleines Mädchen auf das Herdfeuer aufpassen soll. Es schläft ein. Das Feuer erlischt. Aufgewacht rennt das Mädchen zur Mutter: Mutti, Mutti! Nicht schlimm, tröstet die Mutter, lauf zum Drachen. Der speit dir ein neues. Welch eine Perspektive! Hans musste über seine eigenen Einfälle lachen. Denkt euch doch nur mal den Drachen, wie er in einem Garten steht und Gemüse frisst. Oder Blumen. Oder wie er sein Geschäft mitten in der Stadt erledigt.

 

 

Thomas blieb ernst. Nach seiner Einschätzung handelt die Geschichte vom dauernden Konflikt zwischen Risiko und Sicherheit. Hätten die Leute den Worten der heiligen Frau und dem treuen Blick des Drachen vertraut, hätten sie höchstwahrscheinlich manches gewonnen. Sie wollten aber totale Sicherheit. Die haben sie sich gemacht. Das ist doch aktuell. Ob ich mal darüber predigen werde, wollte Moni wissen. Mal sehen. Les Fetes de la Tarasque sind in diesem Jahr vom 27. bis 30. Juni. Da könnte es passen.

Friedrich Fuchs ist Pfarrer in Aulendiebach, Rohrbach und Wolf

Ascension?

von Dr. Detlef Metz

für den 29. Mai 2025 – Himmelfahrt

Pfarrer Dr. Detlef Metz. © Daniel Lijovic
Pfarrer Dr. Detlef Metz. © Daniel Lijovic

Von der durch Polynesier besiedelten Osterinsel mit ihren großen Statuen, den Moais, oder von der durch James Cook entdeckten Weihnachtsinsel haben Sie schon gehört, aber Ascension?

 

Auch Ascension ist eine Insel, im südlichen Atlantik, am Himmelfahrtstag 1502 zunächst von portugiesischen Seefahrern entdeckt. Sie benannten sie mit dem portugiesischen Wort für Himmelfahrt. Später kam die unbewohnte Insel in englischen Besitz, hieß von da ab „Ascension“, Himmelfahrt.

 

Es ist wohl bezeichnend, dass jene Insel oder die Bedeutung ihres Namens kaum bekannt ist. Mit Himmelfahrt lässt sich weniger anfangen als mit dem Kind in der Krippe; es lässt kaum jemanden unberührt. Und Ostern ist selbst für nicht an Christus Glaubende eine schöne Vorstellung: der tote Jesus begegnet seinen Freundinnen und Freunden neu; das Leben siegt über den Tod. Aber Himmelfahrt? Ist das nicht ein Schuss Mythologie zu viel? Und: Kann es ein Grund zur Freude sein, wo sich der auferstandene Jesus den Seinen wieder entzieht? Sie schauen ihm hinterher, würden ihn mit ihren Blicken gerne festhalten, vergebens.

 

Himmelfahrt meint den notwendigen Abschluss des Werkes Jesu: So wie die Bewegung, für die Jesus steht, im Himmel, von Gott ihren Ausgang nahm, so kehrt sie nun zu ihm zurück. Wie bei einer Parabel, die nach ihrem Weg nach unten wieder auf ihre Ausgangshöhe zurückkommt.

 

Aber so wie bei der Parabel die Linie zwar auf die gleiche Höhe, aber doch auf einen anderen, späteren Punkt in der Längsachse trifft, so kehrt auch Jesus nicht mehr so zurück wie er aufbrach. Er kehrt zurück mit seinen Wundmalen, er kehrt zurück mit dem Gepäck, das ihm auf seinem Weg auf Erden aufgeladen wurde: den Menschen, mit denen er sich identifiziert. Er kehrt zurück mit Zachäus, dem Betrüger, bei dem er einkehrte, mit Petrus, der ihn verleugnete und dem er vergab, er kehrt zurück mit Ihnen und mit mir.

 

Uns alle vertritt er bei seinem Vater, unsere Geschichte bringt er vor ihn. In ihm ist unsere Geschichte bei Gott – und wird so heil. In dem zu seinem Vater zurückkehrenden Jesus sind wir schon vertretungsweise bei Gott. Himmelfahrt heißt: Mit Jesus kommt ein Stück Erde in den Himmel, heißt: Gott lässt die Erde, lässt uns gerade nicht los! Und wir dürfen gewiss sein: Die Erde und wir Menschen bleiben nicht so, wie wir sind, es wird eine Vollendung geben, eine „ascension“, die Gott selbst ins Werk setzen wird.

 

Einen guten Himmelfahrtstag.

Dr. Detlef Metz ist Pfarrer der Kirchengemeinden Bobenhausen II, Rainrod und Feldkrücken

Musik – ein Wunder, das bewegt

von Sonja Sternberger

für den 18. Mai 2025

Pfarrerin Sonja Sternberger. © Daniel Lijovic
Pfarrerin Sonja Sternberger. © Daniel Lijovic

Wer hat sie nicht schonmal gespürt: die wundersame Wirkung der Musik. Ein paar Töne eines Liedes reichen, um Erinnerungen an vergangene Erlebnisse oder liebgewonnene Menschen wachzurufen. Beim Sport oder Aufräumen kann sie die nötige Energie liefern, antreiben, sodass man die Anstrengung fast schon vergisst. Und die leisen Töne, gesummt oder gesungen, können einem Kind die Sicherheit schenken, die es braucht, um einschlafen zu können.

 

 

Eine Studie aus Finnland hat kürzlich bestätigt, was wir alle schon oft gespürt haben: Musik hat eine tiefgreifende Wirkung auf unser Gehirn. Sie aktiviert beim Hören dieselben Bereiche, die auch aktiviert werden, wenn wir unser Lieblingsessen essen oder Menschen nahe sind, die wir lieben. Musik kann damit nicht nur Freude bereiten, sie lindert auch Schmerz und reduziert Stress.

 

 

Am Sonntag Kantate (18. Mai) steht die Musik im Mittelpunkt. Sie ist mehr als nur Klang – sie ist Ausdruck unserer Seele, unserer Freude, unserer Trauer und unserer Hoffnung. Musik kann Dinge ausdrücken, für die uns die Worte fehlen. Sie gibt einer inneren Bewegung Raum, die wir vielleicht selbst nicht benennen könnten.

 

 

Genau das macht Musik für mich zu einem Raum, in dem man Gott begegnen kann. Besonders natürlich im Gottesdienst, aber auch im Alltag stolpere ich immer wieder über Melodien, Töne und Texte, bei denen mehr mitschwingt, mehr ist, als das, was im ersten Moment zu hören ist.

 

 

„Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Musik schafft Verbindung – zwischen Menschen, über Sprachgrenzen hinweg, aber auch zwischen Himmel und Erde. Sie war schon immer Teil unserer Gottesbeziehung: Die Psalmen wurden gesungen, Jubel und Klage fanden ihren Ausdruck in Melodien. Wer singt, bringt sein Innerstes vor Gott – manchmal suchend, manchmal dankend, manchmal einfach staunend. Das „neue Lied“, von dem der Psalm spricht, ist mehr als eine musikalische Komposition. Es ist Ausdruck einer lebendigen Beziehung zu Gott, die sich immer wieder erneuert – getragen von dem Vertrauen, dass Gott auch heute noch Wunder tut.

 

 

Vielleicht ist das neue Lied, das wir anstimmen sollen, kein fertiges Lied mit Noten und Text. Vielleicht beginnt es leise in uns – als Mut, wieder Hoffnung zu fassen, als Trost in dunkler Zeit oder als Dank für das Schöne im Leben.

 

 

Lasst uns singen, summen, lauschen – nicht nur an Kantate. Denn Musik verbindet uns mit dem, was größer ist als wir selbst.

Sonja Sternberger ist Pfarrerin der Kirchengemeinde Mockstadt

 

Ein Sommer, der bleibt

von Alexander Wohlfahrt

für den 11. Mai 2025

Pfarrer Alexander Wohlfahrt. © Wohlfahrt
Pfarrer Alexander Wohlfahrt. © Wohlfahrt

Waren Sie am 1. Mai auch unterwegs? Es war ein so sonniger und warmer Tag, fast schon Sommer. Ich hatte den Eindruck, es war alles auf den Beinen, was laufen konnte. Es wäre geradezu ein Frevel gewesen, an diesem schönen Tag zu Hause zu bleiben. Schon morgens wanderten Scharen junger Menschen an meinem Haus vorbei, und nachmittags, zum Beispiel beim Schulhoffest in Bleichenbach, war es brechend voll.

 

Es ist eine einzige Wohltat, durch die Natur zu laufen, den Wald zu riechen und sich am frischen Grün nicht sattsehen zu können. Es ist ein Geschenk, mit anderen wieder in der Sonne zu sitzen, sich zu unterhalten, etwas zu trinken, diesen freien Tag zu genießen, die unbeschreibliche Leichtigkeit des Seins zu erfahren. Wie wundervoll ist diese Zeit nach dem langen, dunklen Winter.

 

„Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden", heißt es im Leitspruch für den kommenden Sonntag. Ja, das sehen, erleben und genießen wir nun allenthalben und sind froh darüber. Denn es tut uns einfach nur gut. Dankbar dürfen wir das alles wahrnehmen.

 

Und doch ist es nicht die ganze Wahrheit. Unser Leben – im Äußeren wie im Inneren – kennt den Winter noch sehr gut, das Dunkle, das Schwere, die Schatten, die Kälte, die Einsamkeit. Sie sind gar nicht fort. Sie haben nur einen willkommenen Gegenpol gefunden. Jetzt halten wir es besser aus – bis der nächste Winter kommt.

 

Auch der Wochenspruch ist noch nicht ganz genannt, die erste Hälfte fehlt noch: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Korinther 5,17)

 

Es geht gar nicht um den Kreislauf der Natur, um die Schönheit der Schöpfung. Auch wenn uns das alles geschenkt wird, und wir es für uns nutzen dürfen. Es ist nur ein Gleichnis, ein Gleichnis auf das, was durch Christus mit den Christen geschieht. Darum geht es. „Ist jemand in Christus“. Die Betrachtung der Natur als Schöpfung Gottes ermöglicht uns, besser zu verstehen, was Gott durch Christus an denen handelt, die „in Christus“ sind.

 

Um es möglichst einfach zu sagen – und um im Bild zu bleiben –: Es geht um den Sommer in uns, dem kein äußerer oder innerer Winter mehr etwas anhaben kann. Denn der Winter kehrt wieder. Daran ändert der schönste Frühling nichts. Es ist ein ewiger Kreislauf, ein Hin und Her, ein Werden und Vergehen.

 

„In Christus“ ist dieser Kreislauf durchbrochen. Wohl erleben wir noch das Auf und Ab. Noch leben wir in einer Welt, in der der Winter regelmäßig wiederkehrt. Aber dieses Alte wird ganz vergehen. In Christus werden wir in einer Welt leben, in der es ganz und gar, ewig bleibend, wie ein schöner Frühsommertag sein wird: hell, warm, fröhlich, leicht und unbeschwert. Also fast wie am 1. Mai. Nur noch exponentiell viel schöner.

 

Wer darum weiß und darauf hofft, wer „in Christus“ ist, der hat den Sommer bleibend in sich, in seinem Herzen und in seiner Seele. Das ist der eigentliche Gegenpol, der uns jeden Winter ertragen lässt, echte Resilienz und wahrhaftige Stärke, die unser Leben heute schon bleibend anders machen. Denn: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

Alexander Wohlfahrt ist Pfarrer der Kirchengemeinde Bleichenbach

Esst gemeinsam!

von Reiner Isheim

für den 4. Mai 2025

Pfarrer Reiner Isheim. © Daniel Lijovic
Pfarrer Reiner Isheim. © Daniel Lijovic

Jetzt merken wir nach und nach, wieviel seit den Lockdowns in der Coronazeit verlorengegangen ist. Da ist doch manche Beziehung verlorengegangen. Immer mehr Menschen klagen über Einsamkeit. In der Isolation werden manche Menschen dann auch ganz mutlos.

 

Kann man denn da nichts machen?

 

Manchmal hilft es, sich an Jesus ein Beispiel zu nehmen. Für Christen ist das selbstverständlich. Liest man die Geschichten von ihm und über ihn, fällt da etwas auf: Immer wieder wird da vom gemeinsamen Essen erzählt. Immer wieder sitzt Jesus mit allen möglichen Menschen beim Essen. Mit Freunden, aber auch bei den Pharisäern, die mit ihm oft nicht einverstanden waren.

 

Er setzte sich gern mit allen an einen Tisch. Einmal hat er sich sogar bei einem Zöllner, damals ein betrügerischer Beruf, selbst eingeladen. Auch in seinen Gleichnissen erzählt er oft vom gemeinsamen Essen. Zum Beispiel: Die Geschichte vom verlorenen Sohn endet mit einem Festmahl. Jesus selbst sättigt die Menschen mit Brot, er verwandelt auf der Hochzeit in Kana Wasser in Wein. An seinem letzten Abend isst und trinkt er mit seinen Jüngern und sagt ihnen: „Das tut zu meinem Gedächtnis“.

 

Allen, denen das Beispiel Jesu nicht mehr so wichtig ist, kann man sagen: Auch im Weltglücksbericht 2025 steht: „Gemeinsames Essen hat Einfluss auf das Wohlbefinden. In Ländern, in denen Menschen bei Mittag- und Abendessen traditionell beisammen sind … ist die Zuversicht höher als dort, wo Menschen öfter allein vor ihrem Teller sitzen.“

 

Also, werdet zuversichtlich, esst gemeinsam! Sucht Zeiten am Tag, wo man sich zu einer Mahlzeit zusammensetzen kann. Vergesst auch das Feiern nicht! Überrasch mal eure Lieblingsmenschen mit einem schön gedeckten Tisch und Zeit für das Miteinander, für Genuss und Lebensfreude!

 

Guten Appetit!

Reiner Isheim ist Pfarrer in den evangelischen Kirchengemeinden Nidda, Stornfels, und Ulfa

Ist das gerecht?

von Frank Eckhardt

für den 1. Mai 2025

Pfarrer Frank Eckhardt. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Frank Eckhardt. ©Daniel Lijovic

Der 1. Mai erinnert an die Bedeutung der Arbeit für den Menschen. Seinen Lebensunterhalt unter menschlichen Bedingungen selbst verdienen zu können, gehört zur Würde des Menschen.

 

Mit den Maikundgebungen erinnern die Gewerkschaften an die ursprüngliche Bedeutung dieses Feiertages. Es geht um Fragen humaner Arbeitszeiten, gerechter Löhne, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und um Solidarität.

 

Im Matthäusevangelium findet man ein Gleichnis Jesu, in dem man ähnliche Themen entdecken kann. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.

 

Jesus erzählt, dass ein Weinbergbesitzer früh morgens um 6 Uhr auf den Marktplatz ging, um dort Tagelöhner für Arbeiten in seinem Weinberg einzustellen. Er machte mit ihnen einen Denar als Lohn aus. Um 9 Uhr, um 12 Uhr, um 15 Uhr und um 17 Uhr stellte er weitere Arbeiter ein. Letztere hatten bis dahin keine Arbeit gefunden. Am Abend empfingen alle ihren Lohn. Zuerst wurden die zuletzt eingestellten bezahlt und erhielten einen Denar.

 

Da äußerten diejenigen, die lange gearbeitet hatten, ihren Unmut. Sie hätten den ganzen Tag gearbeitet und nur den gleichen Lohn erhalten wie diejenigen, die nur eine Stunde arbeiteten. Der Weinbergbesitzer antwortete einem von ihnen und wies darauf hin, dass man doch einen Denar als Lohn ausgemacht habe, er ihm also kein Unrecht tue und stellte zum Abschluss die Frage, ob er neidisch sei, weil er als Arbeitgeber so gütig ist.

 

Das ist auf den ersten Blick eine ärgerliche Geschichte. Kein Arbeitgeber könnte so handeln. Unser Arbeitsleben ist aufgebaut auf errechneter Leistung. Der Protest derjenigen, die lange gearbeitet haben, spricht aus, was jeder spontan denkt.

 

Nun, der Weinbergbesitzer zahlt allen, was sie zur Sicherung ihrer Existenz brauchen. Ein Denar war der Betrag, den ein Tagelöhner damals verdienen musste, um seine Familie einen Tag zu ernähren. Das lässt sich nicht einfach auf unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt übertragen, aber das Gleichnis zeigt eine Richtung. Niemand soll herausfallen, alle sollen bekommen, was sie zum Leben brauchen. Und damit dürfen wir ruhig hier schon anfangen, auch wenn Jesu Gleichnis sich auf das Himmelreich bezieht, in dem Gottes Güte allen gilt und keine Vergeltung kennt.

 

Übrigens, dass man am „Tag der Arbeit“ nicht arbeitet, hat seinen Sinn. Arbeit ist erst dann menschlich, wenn man die Möglichkeit hat, diese auch einmal niederzulegen, um aufzuatmen.

Frank Eckhardt ist Pfarrer der Kirchengemeinden Breungeshain, Busenborn und Michelbach

Das Schwere wird leicht, das Dunkle hell

von Birgit Hamrich

für den 20. April – Ostern

Dekanin Birgit Hamrich. ©Daniel Lijovic
Dekanin Birgit Hamrich. ©Daniel Lijovic

Das Schwere wird leicht und beflügelnd, das Dunkle wird hell. Diese radikale Veränderung ist es, was Ostern uns jedes Jahr aufs Neue zeigt.

 

So beginnt es: In Jerusalem ist Frühling und für einige Menschen nimmt die Gegenwart eine überraschende Wendung. Die Freunde Jesu haben aufregende und verstörende Tage erlebt, die von Jubel und Unruhen geprägt waren. Der Palmsonntag war ein Fest des Triumphes, doch der Gründonnerstag bringt schon eine andere Stimmung mit sich – ein Festessen und eine bleierne Müdigkeit, die sich über alle legt. Ein Kuss im Garten, der alles verrät, und die drohende Gefahr führen in eine Welt, die zu zerreißen scheint – wie der Vorhang im Tempel während der Kreuzigung Jesu. So berichtet es die Bibel im Matthäusevangelium.

 

Inmitten dieser tiefen Gottverlassenheit geschieht etwas Unerwartetes: Das Grab, in das sie Jesu Leichnam gebettet haben, ist leer. Die Frauen, die diese Entdeckung machen, sind aufgeregt und verwirrt. Geschwätz? Gerüchte? Verdrehte Fakten?

 

Die Jünger entscheiden sich, in ihren Alltag zurückzukehren. Dorthin wo alles vertraut ist, wo jeder Handgriff bekannt ist. Es ist gut, Routinen zu haben, an denen man sich festhalten kann, während die Gedanken kreisen.

 

Und dann, so erzählt der Evangelist Lukas, ist einer da, der den Weg in den Alltag mitgeht. Dieser Fremde hört zu, stellt Fragen und hält die Klagen, Zweifel und Enttäuschungen aus und sie beginnen von ihrem Schmerz zu erzählen. Zuerst widerstrebend und verärgert, doch dann sprudelt es aus ihnen heraus und sie bitten den Fremden: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.“

 

Auf dem Tisch stehen Brot und Wein. Und während der Fremde das Brot in seine Hände nimmt, ein Dankgebet spricht, erkennen sie: Diese Hände haben Kranke berührt, Kinder gesegnet und Frauen zurück ins Leben geführt. Jesus lebt! Das Schwere wird auf einmal leicht und beflügelnd, das Dunkle hell. Stehenden Fußes kehren sie um und laufen durch die Nacht zurück nach Jerusalem zu ihren Freunden.

 

Alle sind da: Petrus mit zitternden Knien, Maria mit strahlenden Augen und Thomas, der dem Ganzen nicht traut und erst glauben will, wenn er den Auferstandenen selbst berührt. Sie erinnern sich: So wie er hat niemand von Gottes neuer Welt gesprochen. In all der Zerrissenheit und Unruhe hat er Hoffnung aufgezeigt.

 

Der Osterglaube ist wie ein Weg. Wer sich darauf einlässt, erlebt, wie innerer Friede und Hoffnung diesen Weg mitgehen.

Birgit Hamrich ist Pfarrerin und Dekanin des Evangelischen Dekanats Büdinger Land

„Also hat Gott die Welt geliebt…“

von Hanne Allmansberger

für den 18. April 2025 – Karfreitag

Pfarrerin Hanne Allmansberger. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Hanne Allmansberger. ©Daniel Lijovic

Karfreitag ist der höchste Feiertag für evangelische Christen. Allerdings ist das nicht unbedingt am Kirchenbesuch ablesbar. Da wäre es sicher ökumenisch übereinstimmend Heilig Abend. Inhaltlich allerdings gäbe es das Weihnachtsfest nicht ohne Ostern und Ostern nicht ohne Karfreitag. In unserem Leben schauen wir aber lieber auf das neugeborene Kind in der Krippe als auf den am Kreuz sterbenden Christus. Tod und Sterben sind die Themen, die wir lieber verdrängen und bestenfalls wegschauen.

 

Im Gottesdienst am Karfreitag wird der Leidensweg Jesu am Kreuz aber in den Mittelpunkt gestellt. Gerade haben wir vom Kirchenchor Nidda beim Familienmusical „Es ist vollbracht“ von Thomas Riegler in der Stadtkirche Nidda und in der Kirche in Gedern das Geschehen von Palmsonntag über Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Ostern mitgesungen. Es schwingt noch nach. Ob Gott in Leid und Tod gegenwärtig ist, hat Jesus am Kreuz gefragt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

 

Aber ohne das Geschehen am Kreuz wären wir Menschen in Leid und Tod tatsächlich allein. Gott wurde Mensch. Das zeigt sich an Weihnachten, es wird aber noch deutlicher, was es bedeutet für uns, an Karfreitag.

 

Jesus hat als Mensch das Leid, die Schmerzen und einen grausamen Tod erlitten. Täglich sterben Menschen und können sich in Jesus erkennen als dem Gott, der mit uns geht bis zum Ende. Karfreitag ist aber ohne Ostern nicht zu verstehen. Gott hat seine Botschaft durch die Auferweckung Jesu von den Toten klar gemacht. Die Frauen am Grab, die Jünger, erst konnten sie nichts verstehen. Ohne Ostern keine Kirche Jesu Christi. Aber ohne Karfreitag kein Ostern.

 

An Karfreitag feiern wir in der Stadtkirche Nidda die Liturgie schlichter, erst noch gibt es Orgelmusik und Kerzen, dann werden die Kerzen gelöscht, der Altar wird leergeräumt, ein Kreuz mit Drahtgitter umwickelt steht leer vor Augen. Diese Besonderheiten der Gestaltung helfen der versammelten Gemeinde, sich dem Thema des Karfreitags zu stellen, bevor nach dem Tag der Grabesruhe am Karsamstag dann am Ostermorgen wieder volles Geläut erklingt und mit allem, was musikalisch möglich ist, das Leben neu besungen wird. Das Kreuz mit Drahtgitter wird mit grünen Zweigen geschmückt und mit Blumen bunt.

 

„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ So heißt es im Tagesspruch aus dem Johannesevangelium, Kapitel 3, Vers 16.

Hanne Allmansberger ist Pfarrerin der Kirchengemeinde Nidda

Stell dir vor, Gott kommt in unser Leben ...

von Ulrich Bauersfeld

für den 13. April 2025

Pfarrer Ulrich Bauersfeld. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Ulrich Bauersfeld. ©Daniel Lijovic

Stell dir vor, Gott will uns besuchen und kommt auf die Erde. Wie wird er das wohl machen?

 

Kommt er, um seine Größe zu demonstrieren, im größtmöglichen Flugzeug seiner Airline daher? Oder fliegt er, um seinen unermesslichen Reichtum zu zeigen, erst einmal mit der Rakete zum Mars und wieder zurück? Oder lässt er, um seinen Machtwillen zu unterstreichen, zunächst alle möglichen Konkurrenten verhaften? Oder kauft er, um garantiert der einzige Influencer zu sein, sämtliche digitale Medien auf und sendet ab sofort nur noch seine eigenen Programme?

 

Stell dir vor, Gott kommt zu uns, in unser Leben. Wie wird er das wohl machen?

 

Vor 2000 Jahren ist er schon einmal gekommen. Zumindest glauben wir Christen daran: In Jesus kam Gott in die Welt. Doch er kam nicht, indem er seine Größe, seinen Reichtum und seine Macht demonstrierte oder indem er die Menschen mit aller Gewalt auf seine Seite ziehen wollte. Er kam und lebte ganz anders.

 

In der Woche vor Ostern wird uns dies in einer konkreten Geschichte vor Augen gemalt. Am Palmsonntag ist Jesus nach Jerusalem gekommen und in die Stadt eingezogen. Die Menschen haben ihn mit Palmzweigen begrüßt. Daher nennen wir den Tag Palmsonntag.

 

Doch dieser Einzug Jesu in die Stadt war ziemlich merkwürdig. Jesus ritt auf einem Esel. Dies widersprach so ziemlich allen Erwartungen, welche die Leute an den kommenden Messias hatten. Beeindruckend sollte er sein und schnellstmöglich mit allem aufräumen, was gegen das Reich Gottes auf Erden stehen könnte.

 

Das hat er nicht gemacht. Er kam als Reiter auf einem Esel – alles andere als ein Machtsymbol. Er kam friedlich, ja, nahezu wehrlos. Und am Ende der Woche haben seine Gegner ihn dann auch tatsächlich umgebracht.

 

Dabei ist es aber nicht geblieben. Zwei Tage später erleben seine Jüngerinnen und Jünger: Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Er ist stärker als alles – auch als der Tod.

 

Er ist stärker. Und doch kommt er zu den Menschen nicht, indem er seine Macht demonstriert. Er kommt oft sehr leise, auch heute noch. Er kommt zu uns – in unsere Gedanken oder durch Worte und Taten anderer Menschen. Er kommt meist auf stille, wehrlose Weise. Er will uns nicht mit aller Gewalt überzeugen, sondern einladen zu einem Leben mit ihm. Er tut dies mit offenen Händen und ausgebreiteten Armen.

Ulrich Bauersfeld ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Wenings/Merkenfritz und stellvertretender Dekan

Durch die Liebe Jesu sind wir eins

von Tanja Langer

für den 6. April 2025

Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic

Es geht auf Ostern zu und das heißt für uns Pfarrpersonen, dass auch die Konfirmationen nicht mehr fern sind und somit die Vorstellungsgottesdienste bevorstehen. Immer eine sehr dichte und aufregende Zeit für den jeweiligen Jahrgang.

 

Vor Kurzem waren wir zur Konfi-Freizeit in Wiesbaden und haben zum Thema Ökumene gearbeitet. Sich auf das besinnen, was uns eint, wird uns helfen, in die Zukunft zu gehen.

 

Wir haben unter anderem einen traditionellen Aschermittwochsgottesdienst auf Englisch in der Anglikanischen Kirche gefeiert. Dort bekommt man ein Kreuz auf die Stirn aus Asche, die durch das Verbrennen von Palmblättern entstand.

 

In der Russisch-Orthodoxen Kirche auf dem Neroberg haben wir gelernt, dass man beim mehrstündigen Gottesdienst aus Respekt steht. Kirchenbänke gibt es nicht. Dafür kann man kommen und gehen, wie man will. Die Konfis waren überrascht, weil die Kirche von Adolf von Nassau als Grabeskirche für seine verstorbene junge Frau gebaut wurde.

 

Natürlich waren wir auch in der sehr beeindruckenden Lutherkirche. Groß und reich verziert – wir kamen kaum aus dem Staunen raus. Dort wurde erst vor Kurzem unsere neue Kirchenpräsidentin in ihr Amt eingeführt.

 

Mit all den Eindrücken im Gepäck und jeder Menge Material aus den Konfitagen haben unsere 27 Konfirmandinnen und Konfirmanden aus acht Gemeinden unseres Nachbarschaftsraums „Evangelische Kirchen am Limes“ einen Vorstellungsgottesdienst vorbereitet.

 

Es gibt Jahrgänge, da läuft das alles schleppend und die richtige Muse fehlt. Das können wir für diese Gruppe allerdings nicht behaupten. Der Gottesdienst wird bunt und vielfältig und ist geprägt von einem guten Teamgeist. Diese Jugendlichen haben verstanden, worauf es im christlichen Glauben ankommt und das zeigen sie uns in ihren selbst formulierten Gebeten, Glaubensbekenntnissen und sie erzählen uns im Predigtteil, was Kirche für sie bedeutet.

 

Über allem steht das Lied „Strahlen brechen viele“ aus dem Gesangbuch. Und so empfinde ich es auch: „Strahlen brechen viele aus einem Licht, unser Licht heißt Christus und wir sind eins durch ihn.“ Trotz Unterschiedlichkeit in Gaben und Talenten, durch die Liebe Jesu sind wir eins. Wie wunderbar, dass wir Pfarrpersonen uns jedes Jahr neu auf den Weg machen dürfen mit jungen Menschen, die mit uns den Glauben leben und erleben wollen.

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen

Wahre Größe

von Michael Kuhnke

für den 23. März 2025

Pfarrer Michael Kuhnke. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Michael Kuhnke. ©Daniel Lijovic

In einer Geschichte heißt es: Während des ersten Semesters meines Studiums erfuhr ich in einem Seminar, dass man im heißen Wüstensand Ägyptens einen kleinen Papyrusfetzen gefunden hatte, auf dem nur ein Satz stand. „Wer der Größte unter euch sein will, der sei aller Diener.“ Unser Professor nahm an dieser Stelle seine Brille ab, schaute uns nachdenklich, aber sehr freundlich an und erklärte nach einer kurzen Pause: „Wenn es von dem ganzen neuen Testament nur dieses eine Wort Jesu gäbe, wäre das für mich ausreichender Anlass, um entweder Christ zu werden oder zu bleiben.

 

Wer will heute nicht groß sein? Viele politische Führer wollen groß sein. Völker wollen groß sein. Es hat ein gnadenloser Wettbewerb um Größe eingesetzt. Und nur allzu gerne berufen sich die „großen“ Führer dieser Welt auf Jesus Christus. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was Jesus gelehrt hat. Jesus hat nicht Größe oder Großartigkeit gelehrt.

 

Jesus erkennt ganz klar, wie es um die politischen und militärischen Verhältnisse dieser Welt bestellt ist. Die Großen, die Mächtigen tun ihren Mitmenschen Gewalt an. Das war so und das ist vielfach immer noch so. Mit seinem Weg ist das nicht vereinbar. Sein Weg ist der Weg des Kleinen, des Dienens, des Dienerseins. Wo Menschen diesen Weg gehen, ist wahre Kirche.

 

Wahre Kirche ist dann: In der Seelsorge andere zu trösten und aufzurichten, gemeinsam Gottesdienst zu feiern mit Prädikanten und Pfarrerinnen, mit Kindern den Kindergottesdienst fröhlich zu gestalten, im Kirchenvorstand Beschlüsse zum Wohle der Gemeinde zu fassen, die Frauen- und Seniorenkreise zu unterstützen, den Besuchsdienst aufzubauen, die Armen zu speisen, den Kindern in Kita, Schule und Konfiunterricht von der Liebe Gottes zu erzählen, die Partnerschaften zwischen den Gemeinden und Kirchen zu stärken, in Krankenhäusern und Seniorenheimen für andere da zu sein und vieles mehr.

 

Freilich: Alle unsere Kräfte sind endlich, darum sollen diese Kräfte jetzt in Nachbarschaftsräumen gebündelt werden. Unser Nachbarschaftsraum heißt jetzt: Evangelische Kirche zwischen Nidder und Bracht. Dabei sind auch viele Verwaltungsabläufe neu zu organisieren. Wo dies zum Wohle der Menschen geschieht, ist dies zu begrüßen. Die Verwaltung ist aber kein Selbstzweck. Die Akten sind zweitrangig. Wo Verwaltungsvorschriften unsinnig sind, wo sie uns gar an unserem Dienersein hindern, sind sie von Übel und zu beseitigen. Die Kirche darf den Auftrag Jesu Christi nicht vergessen, sondern sie darf ihn leben: „Wer der Größte unter euch sein will, der sei aller Diener.“

Michael Kuhnke ist Pfarrer im Seemental

Was trägt im Leben? – Gedanken zu Fastenzeit

von Alexander Starck

für den 16. März 2025

Pfarrer Alexander Starck. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Alexander Starck. ©Daniel Lijovic

„Was gibt mir Hoffnung?“ Diese Woche waren wir mit einer großen Gruppe von Konfirmandinnen und Konfirmanden in Fulda. Wir haben Vorstellungsgottesdienste vorbereitet und konnten die Stadt etwas erkunden. Bei der Besichtigung der katholischen Stadtpfarrkirche St. Blasius stach das Fastentuch ins Auge: Ganz schlicht in Lila gehalten, lenkt es die Blicke auf sich, während es den reich verzierten barocken Altar verdeckt. „Was gibt mir Hoffnung?“ steht in großen Buchstaben darauf.

 

Das Motto der evangelischen Fastenaktion „7-Wochen-ohne“ lautet in diesem Jahr „Luft holen – 7 Wochen ohne Panik!“. Schrittweise werden wir eingeladen uns der Frage zu nähern, was uns im Leben trägt.

 

Beide Aktionen laden dazu ein, sich zu besinnen auf Werte, die mir etwas im Leben bedeuten. Das ist manchmal gar nicht so einfach, weil der Alltag mit seinen kleinen und großen Herausforderungen bewältigt werden muss oder weil immer wieder Nachrichten von größeren und kleineren Krisen auf einen einströmen.

 

Der Wochenspruch für die kommende Woche lässt einen Hoffnungsschimmer in der Passionszeit aufkeimen: „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Römer 5,8)

 

Was gibt mir Hoffnung? Was trägt mich im Leben? Paulus Antwort darauf ist die Liebe Gottes, die so ganz ohne Vorbehalte uns entgegengebracht wird. Gott liebt uns Menschen, er kennt unsere Schwächen, er weiß, dass wir niemals ganz ohne Fehler sein werden … Aber er hat uns Jesus Christus, seinen Sohn, geschenkt, um uns mit ihm zu versöhnen.

 

Auf diese Weise kittet Gott die Beziehung zwischen uns Menschen und ihm von sich aus. Er tut es, weil wir für ihn wertvoll sind, und er knüpft das auch nicht an irgendwelche Bedingungen. Wir müssen nichts dafür tun, uns diese Gnade nicht erarbeiten. Wir bekommen sie geschenkt.

 

Ich finde, das verändert auch die eigene Haltung: Für Gott bin ich besonders – auch, wenn ich selbst vielleicht das Gefühl habe, nicht gut genug zu sein und nichts Besonderes zu leisten oder wenn ich Fehler gemacht habe. Der Wochenspruch macht klar: Gott liebt dich ohne jede Voraussetzung, so wie du bist! Diese Erkenntnis gibt mir Hoffnung. 

Alexander Starck, Pfarrer im Nachbarschaftsraum Niddaer Land

Gott begegnet uns oft unerwartet

von Tobias Vonderlehr

für den 9. März 2025

Vikar Tobias Vonderlehr. ©Daniel Lijovic
Vikar Tobias Vonderlehr. ©Daniel Lijovic

Ich erinnere mich an eine Nacht, in der ich völlig am Ende war. Meine Gedanken kreisten, immer dunkler, immer schneller. Angst machte mich atemlos. Ich fühlte mich schuldig, überfordert, allein. Worte halfen nicht.

 

Dann fiel mir ein Psalmvers ein: „Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören.“ (Psalm 91,15) Vielleicht war es eine Kindheitserinnerung, vielleicht genau das, was ich brauchte. Also rief ich Gott an. Stammelte, betete. „Gott, wenn du da bist, dann hilf mir!“

 

Ich erwartete keine Wunder, aber etwas veränderte sich. Kein Blitz vom Himmel, sondern ein Hauch von Frieden. Ich spürte eine Gewissheit: Ich war nicht allein. Mein Schmerz war nicht unsichtbar.

 

Die Passionszeit beginnt – eine Zeit des Hinschauens, auch auf unser eigenes Leiden. Warum ist es so schwer, Leid zu akzeptieren? Weil wir stark sein wollen? Weil wir glauben, alles allein schaffen zu müssen? Doch selbst Jesus kannte Angst, Not, Verlassenheit. Am Kreuz rief er: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) Wenn selbst er diese Not erlebte, warum sollte ich mich schämen?

 

Ich erinnere mich an eine alte Frau aus der Gemeinde. Als ich sie besuchte, fragte ich beiläufig: „Wie geht es Ihnen?“ Sie lächelte müde und sagte: „Es gibt Tage, da frage ich mich, warum ich noch hier bin.“ Diese Ehrlichkeit traf mich. Sie, die immer für andere da war, kämpfte mit denselben Fragen, die auch mich umtrieben. „Und was tun Sie dann?“, fragte ich. „Ich rufe IHN an“, sagte sie. „Manchmal laut, manchmal nur in Gedanken. Und dann geschieht etwas – ein Anruf, ein Lied im Radio, eine kleine Geste. Dann weiß ich: ER hat mich gehört.“

 

Gott begegnet uns oft unerwartet – durch Menschen, durch Worte, durch stille Gewissheit. Ich verstehe nicht, warum manche Gebete unerhört bleiben oder manche Wege dunkel bleiben. Aber ich glaube, dass Gott uns gerade in der Not begegnet.

 

Vielleicht wird nicht alles sofort gut. Aber es gibt Hoffnung. Und vielleicht ist das genug.

 

Ich weiß nicht, welche Not du trägst. Vielleicht kämpfst du mit Ängsten oder Einsamkeit, mit Schuld oder dem Gefühl, nicht verstanden zu werden. Aber ich glaube: Gott hört dich. Sprich mit ihm – nicht perfekt, sondern so, wie du bist.

 

„Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not.“ Diese Zusage gilt – auch für dich. Jetzt.

Tobias Vonderlehr ist Vikar in der Kirchengemeinde Gedern im Nachbarschaftsraum der Evangelische Kirche zwischen Nidder und Bracht

„wunderbar geschaffen!“

von Elisabeth Engler-Starck

für den 2. März 2025

Elisabeth Engler-Starck. ©Daniel Lijovic
Elisabeth Engler-Starck. ©Daniel Lijovic

„Ich danke dir, dass ich wunderbar geschaffen bin“ – so steht es in Psalm 139,14. „Ich bin wunderbar geschaffen!“ – das ist nicht unbedingt immer das erste, das einem in den Sinn kommt, wenn man vorm Spiegel steht oder auf das eigene Leben und die eigenen Handlungen schaut. Aber „wunderbar“, das heißt nicht „perfekt“. „Wunderbar“ betont die Einzigartigkeit eines jeden von uns: Ich bin Ich, egal ob ich meinen eigenen Wünschen oder den Vorstellungen anderer 100-prozentig entspreche. Ich darf ich sein.

 

„wunderbar geschaffen!“ – das ist auch das Motto des diesjährigen Weltgebetstags. Nächsten Freitag werden wieder Christinnen und auch Christen verstreut über die ganze Welt und doch miteinander verbunden den Weltgebetstag feiern.

 

Die Liturgie zu diesem besonderen Gottesdienst wird jedes Jahr von Frauen aus einem bestimmten Land erarbeitet. Für dieses Jahr laden Christinnen von den Cook-Inseln ein, mit ihren Texten und Liedern zu feiern.

 

Die Cook-Inseln mitten im Südpazifik: paradiesische Strände, glasklares Wasser. Der perfekte Ort, um die Schöpfung zu feiern – eben „wunderbar geschaffen“.

 

Ein Teil dieser wunderbaren Schöpfung ist bedroht: Die Atolle und Korallenriffe rund um die Inseln leiden unter Klimawandel und Tiefseebergbau. Und auch andere Probleme machen nicht Halt vor dem auf den ersten Blick paradiesischen Ort: Häusliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein drängendes Thema, gesundheitliche Probleme durch starkes Übergewicht vieler Menschen weit verbreitet und gerade die jüngeren Generationen zieht es zum Arbeiten in die Ferne, Kinder werden von Großeltern und anderen Verwandten aufgezogen, weil die Eltern z.B. in Neuseeland arbeiten.

 

Und dennoch: Die Weltsicht auf die Welt der Insulaner*innen und damit auch die Texte und Lieder zum Weltgebetstag strotz vor positiver Energie. Ein Stolz auf ihre Kultur und Sprache, die in der Kolonialzeit unterdrückt waren, schwingt mit. Sie sind sich bewusst: Sie sind „wunderbar geschaffen“!

 

„Ich danke dir, dass ich wunderbar geschaffen bin!“ – der Ausdruck des Dankes macht auch deutlich: Nicht ich mache mich wunderbar, es liegt nicht in meiner Zuständigkeit und Verantwortung. Ich bin von Gott angenommen, so wie ich bin. Auch diese Erkenntnis birgt viel positiven Energie. Probieren Sie es mal aus, sprechen Sie den Vers aus Psalm 139 laut aus, zuhause, im Gebet – oder in einem Weltgebetstagsgottesdienst in der nächsten Woche.

Elisabeth Engler-Starck ist Referentin für Ökumene im Evangelischen Dekanat Büdinger Land

Welt – Kirche

von Leroy Pfannkuchen

für den 26. Januar 2025

Pfarrer Leroy Pfannkuchen. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Leroy Pfannkuchen. ©Daniel Lijovic

Wann immer ich die Möglichkeit habe, besuche ich gerne andere Kirchen und Kirchengemeinden. Egal ob das nun im Ausland oder hier in der Region ist. Nicht nur, weil eine Kirche schon im Nachbarort so unterschiedlich zur eigenen Kirche sein kann, sondern weil jede Kirche und Kirchengemeinde an sich unterschiedlicher nicht sein können.

 

Doch das allein finde ich noch gar nicht so spannend. Spannend wird es für mich immer dann, wenn diese Unterschiede zu Einem zusammenkommen: zu einem Gottesdienst, einer gemeinsamen Veranstaltung, einem Gemeinsam-Sein.

 

Denn dann wird klar, was es bedeutet, wenn wir als Christinnen und Christen von der „lebendigen Vielfalt“ oder dem „Regenbogen“ der Gemeinschaft Gottes sprechen. Eine Gemeinschaft, die überall auf der Welt mit unterschiedlichen Worten und Erfahrungen ein Vater Unser betet, die aus einer gemeinsamen Schrift liest und sich einem gemeinsamen Gott anvertraut.

 

Diese Gemeinschaft, im Großen, wie im Kleinen, lässt uns einerseits deutlich spüren: Wir sind nicht allein! Sie macht uns aber auch deutlich: Wir sind Kirche in der Welt!

 

Das ist besonders wichtig, wenn wir darauf schauen, was nur allein in dieser Woche wieder geschehen ist: Mit der Amtseinführung in den USA steht wieder ein Präsident an der Spitze der freien Welt, der nicht nur Menschenrechte mit Füßen tritt, sondern auch offen zur Annexion alliierter Staaten aufruft. In Deutschland wurde die Welt vieler Menschen in Aschaffenburg grundlegend erschüttert.

 

Beides existiert: Leiden vor Ort und Herausforderungen in der Ferne.

 

Doch an beiden Orten leben Christinnen und Christen: Menschen, die auf einen Gott vertrauen, der den Menschen im tiefsten Schmerz beiwohnt, der Gewalt verabscheut und Frieden schaffen will. Menschen, die an einen Erlöser glauben, der sich zur Befreiung aller Menschen selbst geopfert hat. Menschen, die gemeinsam in einem Geist verbunden sind, der überall wirken kann und will, Licht in Dunkelheit schenkt und uns wissen lässt: Selbst auf die dunkelste Nacht folgt ein neuer Morgen!

 

Wir sind eine Kirche. Wir glauben an einen Gott. Gemeinsam reichen unsere Hände auch an die entlegensten Orte. Denn das ist unser Auftrag als Kirche, als Gemeinschaft aller Christinnen und Christen. Hoffnung zu säen, Nächstenliebe zu leben, Frieden zu stiften, Trauernde zu trösten und uns immer wieder auch in unseren Kirchen hier vor Ort bewusst zu machen: Auch wenn es sich in unseren Kirchen, Dörfern, Ländern und Herzen anfühlen mag, als wäre alle Hoffnung verloren und die Welt ein düsterer Ort, reichen Andere uns die Hände und stützen uns. Denn das ist es, was Gott uns geschenkt hat: Brüder und Schwestern, die uns beistehen und mit uns einstehen.

 

Denn das ist es, was uns als Gemeinschaft stark macht. Dass nicht einer oder eine sich allein als Lichtspender gegen die Dunkelheit behaupten muss. Sondern dass wir alle selbst mit den kleinsten Lichtern gemeinsam einen Sonnenaufgang in den Nachthimmel zaubern können.

Leroy Pfannkuchen ist Pfarrer der Kirchengemeinden Blofeld, Dauernheim und Ranstadt

Frieden aus der Ewigkeit

von Ulrich Bauersfeld

für den 12. Januar 2025

Pfarrer Ulrich Bauersfeld. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Ulrich Bauersfeld. ©Daniel Lijovic

Wenn Sie diese Zeilen vermutlich lesen, haben wir den 10., 11. oder 12. Januar 2025. Geschrieben hatte ich den Text jedoch schon einige Tage vorher, um ihn rechtzeitig einschicken zu können. Das ist ein Risiko. Es könnte sein, dass in der Zwischenzeit Dinge geschehen, die alles, was bisher gewesen ist, auf den Kopf stellen. Das haben wir schon mehrfach erlebt. Es kann sein, dass Worte, die wir gestern gesagt haben, morgen schon in einem anderen Licht dastehen.

 

Es kann sein, dass Menschen gestern noch im Frieden lebten – im Frieden mit ihren Mitmenschen, mit ihren Nachbarländern, mit der Natur. Doch kurze Zeit später ist auf einmal alles ganz anders geworden. Ein Anschlag. Der Beginn eines Krieges. Eine Naturkatastrophe. Ich weiß heute nicht, was in drei Tagen in dieser Welt los sein wird.

 

In den Herrnhuter Losungen stehen für den 11. Januar zwei Sätze aus der Bibel: „Ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein.“ (Hesekiel 37,26) und: „Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.“ (Offenbarung 1,4)

 

Der erste Satz steht am Ende eines Kapitels, in dem der Prophet Hesekiel durch eine Vision von Gott gezeigt bekommt, wie in tote Gebeine neues Leben strömt. Gott verspricht seinem Volk einen Bund des Lebens und des Friedens, der nie enden wird. Der zweite Satz stammt aus den ersten Versen der Offenbarung. Der Seher Johannes schaut viele beeindruckende Visionen, deren Thema vor allem eins ist: Das letzte Wort werden nicht die Katastrophen und Kriege haben. Das letzte Wort wird Jesus Christus haben, der einmal alles Leid beenden wird und der denen ewiges Leben schenkt, die es wagen, ihm zu vertrauen.

 

In unserer Welt kann sich vieles von heute auf morgen ändern. Gott bietet uns in Jesus Christus einen ewigen Bund des Friedens an, der sich nicht ändert. Dieser Frieden kann auch jetzt schon in unsere Leben hineinkommen. Er kann unsere Herzen erfüllen und uns die Kraft geben, nach Gottes Willen zu handeln. Dieser Frieden ist jetzt schon Realität, wenn wir uns Jesus Christus und seinem Geist öffnen.

 

Dies wünsche ich uns für das neue Jahr: Dass Jesu Frieden in uns einzieht und wir ihn weitergeben, wo es uns möglich ist. Ich wünsche uns Gottes Frieden, der in der Ewigkeit festgemacht ist und den nichts in dieser Welt beenden kann.

Ulrich Bauersfeld ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Wenings/Merkenfritz und stellvertretender Dekan im Dekanat Büdinger Land

365 Gelegenheiten, anders weiterzumachen

von Tanja Langer

für den 5. Januar

Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic

Vor einigen Jahren war ich in einer Grundschule als Schulbegleiterin eines Jungen eingesetzt, der Unterstützung in seinem Schulalltag brauchte. Er war in der zweiten Klasse und in Sachkunde wurde das Thema „Wald“ behandelt. Die Klassenlehrerin war sehr kreativ und verstand es, den Kindern diesen wichtigen Lebensraum mit allen Sinnen näherzubringen.

 

In einer Hausaufgabe sollten die Kinder Stichpunkte sammeln darüber, was man in einem Wald NICHT tun sollte oder darf. Die Hände gingen in die Höhe und wir sammelten Punkte wie keinen Müll hinwerfen, auf den Wegen bleiben, kein Feuer anzünden, keinen Lärm machen, der die Tiere erschreckt, und vieles mehr. Ein Junge wurde von allen immer „der Professor“ genannt.

 

Er war sehr wissbegierig und las sehr viel und er wusste eben auch sehr viel. Er meldete sich und sagte mit ganz ernstem Gesicht: „Man darf auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen Rehe pflücken.“ Die Lehrerin und ich schauten uns an und wir versuchten ernst zu bleiben.

 

Als die Kinder in die Pause gingen und wir allein waren mussten wir erstmal herzhaft lachen. Er war einfach zu süß und mit welcher Überzeugung er uns das vorgetragen hatte. Die Vorstellung, dass Rehe an den Bäumen hingen und man sie pflücken könnte, amüsierte uns. Aber der Kern hinter seiner Aussage war ernst und verdient Achtung. Der kleine Professor wollte uns damit einfach sagen, dass wir auf unsere Schöpfung achten müssen und zwar unter allen Umständen. Das war ihm wichtig und uns sollte das ebenso wichtig sein.

 

Die meisten unserer Neujahresvorsätze kreisen ja um uns selbst. Abnehmen, mehr Sport, gesünder Essen. Selten überleben diese Vorsätze den Januar. Wie wäre es mit Vorsätzen, die machbar sind und zugleich noch etwas für unsere Schöpfung tun? Wir können uns an den Kindern ein Beispiel nehmen. Sie wissen Bescheid. Es ist eigentlich so einfach. Wir haben wieder ein neues Jahr. 365 Tage, um noch einmal anzufangen, Neues zu wagen, das Netz auszuwerfen.

 

365 Gelegenheiten, anders weiterzumachen, Versäumtes nicht mehr zu versäumen. 365 Möglichkeiten, vergessene Träume zu leben, sich nicht mit dem Gegebenen abzufinden. Ich bin dabei! Und Sie?

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen

Prüfet alles und behaltet das Gute!

von Leroy Pfannkuchen

für den 31. Dezember (Silvester)

Pfarrer Leroy Pfannkuchen ©Daniel Lijovic
Pfarrer Leroy Pfannkuchen ©Daniel Lijovic

Wer kennt sie nicht, die berühmten „Neujahrsvorsätze“, die uns jedes Jahr wieder begegnen? Vielleicht haben auch Sie für das neue Jahr ein paar Vorsätze gefasst? Vielleicht finden Sie es auch schwierig, neue Vorsätze zu fassen, weil Sie nicht wissen, wo Sie beginnen sollen?

 

Passend dazu kann Ihnen vielleicht die Jahreslosung für das Jahr 2025 eine Hilfe sein. Sie entstammt dem ersten Thessalonicherbrief, Kapitel 5, Vers 21:

 

Prüfet alles und behaltet das Gute!

 

Die alte Frage: Wie sollen wir unser Leben nach Gott und nach Jesus ausrichten? Paulus schrieb diesen Brief, um die Gemeindeglieder darin zu stärken, sich nicht auf falsche Versprechen einzulassen, sondern im Vertrauen auf Gott und auf ihren Glauben selbst immer wieder neu entscheiden zu können, ob der Weg, den sie gehen, der richtige ist.

 

Als Leitspruch möchte die Jahreslosung also auch Sie einladen, für das neue Jahr zu prüfen, was sich Gutes in Ihrem Leben entwickelt hat, was Ihnen guttut und wo Sie für sich Räume zum Wachsen sehen. Sie sind aber auch eingeladen, zu prüfen, wo in Ihrem Leben Steine auf dem Weg liegen, wo Sie sich vielleicht selbst behindern oder sich und andere im Wachstum beschneiden.

 

All das soll Sie auf dem Weg durch das Jahr 2025 begleiten. Weil es nicht mit einem neuen Jahresvorsatz getan ist, sondern weil die Welt besonders in chaotischen Zeiten uns immer wieder herausfordert, genau zu prüfen, was wirklich gut und richtig ist oder was am Ende mir und anderen schadet.

 

Und weil bekanntlich ja Erkenntnis immer der erste Weg zur Veränderung ist, wünsche ich Ihnen im Namen unserer Kirche und Kirchengemeinden ein frohes und gesegnetes neues Jahr, mit vielen Momenten der Begegnung, Herzlichkeit und Wärme sowie Raum zur Erkundung, was Sie in das neue Jahr mitnehmen möchten oder was Sie lieber im alten Jahr belassen mögen.

 

Denn dazu ruft uns Paulus in 2025 auf: Prüfet alles und behaltet das Gute!

 

Und wer weiß? Vielleicht sind Sie ja im Dezember 2025 überrascht, dass Sie für 2026 gar keine neuen Vorsätze mehr brauchen?

Leroy Pfannkuchen ist Pfarrer der Kirchengemeinden Blofeld, Dauernheim und Ranstadt.

Das Geschenk des vierten Königs

von Julia Rennecke

für den 24. Dezember (Heiligabend)

Pfarrerin Julia Rennecke
Pfarrerin Julia Rennecke

„Warum gibt es an Weihnachten eigentlich Geschenke?“ Das deutsche Wort „Schenken“ selbst kommt ursprünglich von „Ausschenken". Im Mittelalter beschrieb es, wie durstige Wanderer durch das Senken des Wasserkruges versorgt wurden. Wenn wir etwas Schenken, teilen wir also, was wir haben, mit anderen.

 

In der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas jedoch finden wir kein Wort über Geschenke für das Heilige Kind. Lediglich das Matthäus-Evangelium erzählt von den Gaben der Weisen Männer, die wir auch unter dem Namen Heilige Könige kennen. Sie brachten Gold, Weihrauch und Myrrhe mit.

 

Diese wertvollen Kostbarkeiten zeigten den Respekt und die Ehrfurcht, die die Weisen vor dem Sohn Gottes hatten. Und weil die Bibel drei Geschenke erwähnt, spricht der Volksmund auch gerne von drei Heiligen Königen.

 

Aber waren es wirklich nur drei? Manche Legenden und Geschichten aus dem Volksmund sind da anderer Meinung. Zum Beispiel die Legende vom vierten König. Der Autor Henry van Dyke hat sie unter dem Namen „The story of the other wise man“ 1895 als Kurzgeschichte veröffentlicht. Die Geschichte erzählt von einem weiteren König, der sich zusammen mit Caspar, Melchior und Balthasar auf den Weg macht, das Jesuskind zu suchen, und der ihm wertvolle Edelsteine bringen will.

 

Aber da sein Pferd lahmt, kommt dieser König langsamer voran, als die anderen. Auf seinem Weg trifft er immer wieder Menschen, die seiner Hilfe bedürfen. Mal ist es ein verletztes Kind, mal eine verarmte Witwe oder ein vom Krieg zerstörtes Dorf. Jedes Mal bringt der vierte König es nicht über sich, untätig zuzusehen. Und jedes Mal opfert er einen seiner Edelsteine, um zu helfen, bis am Ende nichts mehr von seinem Schatz übrig ist.

 

Der vierte König sucht Jahre lang, hilft hier einem Schwachen, pflegt dort Kranke; keine Not bleibt ihm fremd. Am Ende ist er alt und müde geworden. Doch in einer Nacht träumt er erneut von dem Stern, der ihn in seiner Jugend dazu gebracht hatte, den höchsten aller Könige zu suchen.

 

Er bricht auf und kommt an die Tore einer großen Stadt. Oben auf einem Hügel ragen drei Kreuze empor und der Stern bleibt über dem Kreuz in der Mitte stehen. Und der Blick des Menschen am Kreuz trifft den vierten, greisen König und ihm ist, als hörte er eine Stimme: „Du hast mich getröstet, als ich jammerte und gerettet, als ich in Lebensgefahr war; du hast mich gekleidet, als ich nackt war!"

 

Und da erst erkennt der vierte König: Die Suche war nicht vergebens. Denn auch wenn er nun mit leeren Händen unterm Kreuz steht, hat er am Ende seines Lebens Gott gefunden.

 

Ich finde diese Botschaft wunderbar: Nicht die Geschenke, die am Ende vor der Krippe lagen, waren dem Christkind die liebsten, sondern die, die der vierte König unter den Menschen verteilte!

 

Alle Weihnachtsgeschenke, die wir uns heute machen, sollen in erster Linie an die Geburt Jesu, Gottes Sohn, erinnern - als das größte Geschenk Gottes an die Menschen.

Julia Rennecke ist Pfarrerin im Dekanat Büdinger Land

Hallelujah!

von Tanja Langer

für den 22. Dezember

Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic

Der Advent neigt sich dem Ende zu, schon die letzte Kerze am Kranz wird morgen angezündet und zwei Tage später feiert die Welt die Geburt von Gottes Sohn. Hallelujah!

 

Auf diese Ankunft warten wir im Advent. Und Warten ist ja sonst eine ziemlich öde Angelegenheit, aber im Advent wird uns diese Wartezeit mit vielerlei Dingen versüßt: Adventskalender in allen Formen und mit allen denkbaren Inhalten, Adventskränze und Lichterdekoration, der Duft von Tannenzweigen und vor allem von Plätzchen und natürlich Musik. In keiner anderen Zeit des Jahres wird so oft und viel gesungen wie im Advent. Ja, auch „Last Christmas“ gehört irgendwie dazu, gestehe ich ganz ohne Scham.

 

Aber es gibt noch viel mehr: Von Weihnachtsklassikern in sämtlichen Sprachen bis hin zum Weihnachtsoratorium von Bach. Zugegeben weiß ich nicht mal, was ein Oratorium ist, aber es muss fantastisch gewesen sein, wurde mir berichtet.

 

Ich kann mit Stolz behaupten, dass mein Dekanat viel zu dieser Vielfältigkeit beiträgt. So viele schöne Konzerte in so vielen schönen Kirchen lassen einem das Herz aufgehen und stimmen uns ein auf den, der in tiefster Nacht erschienen ist. Und ich habe mitgemacht als „Tenöse" bei den Rainbow Gospel Singers aus Altenstadt. Und bei jedem unserer Konzerte habe ich ein Lieblingslied, das ich mit voller Inbrunst und Überzeugung in die Kirche singe. Gospel Musik ist ja nichts anderes als die Frohe Botschaft zu singen, statt wie sonst zu predigen.

 

Bei diesem Weihnachtskonzert am letzten Wochenende war es das Lied „ A christmas Hallelujah“ von Leonard Cohen. Im Ur-Text ein eher trauriger Song, weil es um ein „broken Hallelujah“ geht, aber in unserer Version erzählt es die Geschichte von Maria und ihrem Verlobten und ihrem Sohn, der zu unserer Rettung auf die Welt gesandt wurde. Für den Chor war dieser Song eine Premiere beim Konzert, aber ich bin mir sicher, dass er in unser festes Repertoire übergehen wird.

 

So schön und berührend ist diese Geschichte, die uns jedes Jahr wieder in ihren Bann zieht. Der Sohn Gottes, der in einem unscheinbaren Stall in einer unscheinbaren Stadt das Licht der Welt erblickt. Unscheinbare Hirten, die von den Engeln geschickt wurden, dürfen ihn zuerst begrüßen, genauso wie später die drei Weisen. Das zeigt uns, Herkunft und Reichtum sind bei Gott nicht wichtig, jeder einzelne Mensch ist vor ihm gleich und geliebt. Wer möchte da nicht laut „Hallelujah“ in die Welt rufen?

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen

Wo ein Mensch sich selbst verschenkt ...

von Tanja Langer

für den 15. Dezember

Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic

Als ich neulich mal mein Büro etwas aufräumte, fiel mir ein Buch in die Hände mit gesammelten Geschichten zur Weihnachtszeit, das ich gar nicht kannte. Ich schmökerte so durch die Seiten und blieb bei einer Geschichte hängen: Es war eine wahre Geschichte, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg passierte.

 

Ein Pfarrer und sein Freund machten sich daran, die zum Teil durch Bomben zerstörte Kirche aufzuräumen, damit man wieder Gottesdienste feiern könnte. Leider hatten sie nur zwei Eimer und ihre Hände. Als sie mühsam den Schutt in die Eimer füllten, hielt ein Wagen hinter ihnen an.

 

Ein russischer Soldat mit Gewehr stieg aus und fragte die beiden, was sie denn da machen. Sie erklärten, dass sie versuchen würden, die Kirche herzurichten, so dass die Leute zum Gottesdienst kommen können und wieder Mut schöpfen für die Zukunft.

 

Der Soldat brummelte etwas und verschwand wieder. Kurze Zeit später kam er zurück, die Ladefläche voll mit Schubkarren, Besen und Holzbrettern. Die beiden Freunde trauten ihren Augen nicht. Sie luden alles ab und wollten sich dankend verabschieden, da zog der Soldat die Jacke aus und packte mit an.

 

In den folgenden Tagen kam er täglich für ein paar Stunden und half, so dass sie am Samstag Mittag tatsächlich fertig waren. Auf die Frage des Pfarrers, ob er denn an Gott glaube, lachte der Soldat und sagte, dass er als Kommunist nicht gottesgläubig sei, aber seine Mutter. Der Pfarrer erwiderte, sie habe einen guten Sohn großgezogen. Verlegen verabschiedete sich der Soldat, um dann später mit einem schweren Geschenk wiederzukommen. Ehrfürchtig legte er es vor dem Altar ab, küsste ihn und verneigte sich vor dem Kreuz.

 

Der Soldat hatte tatsächlich vier große Kerzen organisiert, die damals kaum zu bekommen waren. Als der Soldat weg war, tauschte der Pfarrer die Kerzen bei den Katholiken gegen kleinere ein, da sie zu groß für die Leuchter der Kirche waren. Der Soldat kam am nächsten Tag vor dem Gottesdienst, wollte freudig die beiden Freunde begrüßen, da fiel sein Blick auf den Altar. Wütend und enttäuscht und vor allem verletzt sagte er mit Tränen in den Augen: Kerzen von einem Kommunisten sind wohl nicht gut genug für euren Gott. Dann verschwand er für immer.

 

Die beiden Freunde merkten erst hinterher, wie sehr sie diesen gutmütigen Soldaten verletzt hatten. In seiner Predigt an diesem Sonntag erzählte der Pfarrer seiner Gemeinde, dass sie in ihrer Blindheit hatten einen Menschen davongehen lassen, den das Kind in der Krippe zu sich gerufen hatte.

 

Diese Geschichte hat mich tief berührt und nachdenklich gemacht. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dabei gibt es so viele Situationen, in denen ein Mensch genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Da sagt man schon mal sowas wie: Dich hat der Himmel geschickt. Ja, vielleicht ist das so. Manchmal bedarf es nicht unseres Verstandes, sondern vor allem unser Herz ist gefragt. In einem Lied aus unserem Gesangbuch heißt es: Wo ein Mensch sich selbst verschenkt und den alten Weg verlässt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht. Welch wunderbare Vorstellung! 

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen

Gottes Leuchten unter uns

von Regine Jünger

für den 8. Dezember

Pfarrerin Regine Jünger ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Regine Jünger ©Daniel Lijovic

Seit über 30 Jahren habe ich als Pfarrerin in Schwickartshausen bei vielen Trauerfeiern in der Halle dort gestanden und immer ein Licht vermisst. Die Kanzel steht in der dunkelsten Ecke. In letzter Zeit hatte dort ein grelles Akkulicht etwas Abhilfe geschaffen. Ende November machte ich mich wieder auf zu einer Trauerfeier – und es war anders: Strom und damit Licht waren eingezogen. Über die gesamte Decke gab es Leuchten, die die ganze Halle und alle Trauernden in ihr in warmes Licht tauchten.

 

Licht begegnet in der Adventszeit auf besondere Weise. Der Lißberger Turm scheint in alle Himmelrichtungen, und das erste Leuchten wird am Abend des ersten Advents immer besonders gefeiert. Über vielen Straßen und Türen scheinen Sterne, in Fenstern strahlt es, in Gärten blinkt es.

 

Licht tut gut. Gerade in dunkler Zeit. Oder in besonderen Momenten: Da brechen auf einmal Wolken auf und Sonnenstrahlen scheinen in sichtbaren Strahlen hindurch. Manch ein Mensch konnte das als besonderes Zeichen für sich sehen: Das ist ein Gruß aus dem Himmel.

 

Eine Kerze in der Kirche, angezündet für einen Menschen. Leuchtendes Zeichen der Nähe und der Wünsche für ihn oder sie. Die Nordlichter, die wir dieses Jahr auch in unseren Breiten entdecken konnten mit ganz neuen Himmelsfarben. Oft gepostet in den Sozialen Medien. „Das Licht der Welt erblicken“, sagen wir oft zum Anfang des Lebens. Alles das macht deutlich, wie sehr wir Menschen von Licht berührt sind.

 

„Es werde Licht“ war Gottes erstes Wort für die Welt. Ohne Licht gäbe es kein Leben.

 

So gehe ich gern durch diese früh dunkelnden Tage des Advents, weil mir wie in der Trauerhalle in Schwickartshausen Lichter begegnen. In denen, die gut tun und manche Orte und Zeiten lichter machen, spüre ich auch Gottes Leuchten unter uns.

Regine Jünger ist Pfarrerin der Kirchengemeinden Lißberg und Schwickartshausen mit Bobenhausen I und Eckartsborn.

Komische Heilige

von David Jumel

für dem 24. November

Pfarrer David Jumel. ©Daniel Lijovic
Pfarrer David Jumel. ©Daniel Lijovic

Es regnet. Temperatur gefühlt im Keller. Die Kälte zieht durch die Klamotten.

 

Gerade fällt es besonders schwer an den trüben, dunklen Tagen motiviert zu sein. Wie soll das auch gehen, jetzt, wo es einem beim Blick aus dem Fenster gehörig die Laune verdirbt? Das scheint kein Einzelfall. Der November hat es in sich. Nicht nur das nasse Laub hat seine Schwere, auch die Gedanken trüben sich manchmal ein in dieser Zeit. November-Blues oder doch mehr als nur eine kleine Verstimmung? Gefühlt geht es doch allen gerade mies, oder? Machen wir uns nichts vor.

 

Dienstagnachmittag, es klingelt an der Tür. Eine Frau steht vor dem Pfarrhaus. Sie stellt sich kurz vor und fragt dann ziemlich direkt: „Ich bräuchte einen Schlafplatz, habt ihr was?“ Ich überlege kurz, da ich mich ein bisschen überrannt fühle und zeige ihr dann einen Raum im Gemeindehaus nebenan. Sie ist überglücklich und erzählt von ihrer Reise, die bei Kempten im Allgäu begonnen hat und nun sei sie mit ihrem Fahrrad bis ins Büdinger Land gefahren. Ich bin verblüfft, verwundert. Das hatte ich jetzt wirklich nicht erwartet. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Wie sie so vor mir steht, scheint sie ganz unbekümmert, ausgeglichen, in sich ruhend. Das steckt an. Meine Gedanken sind beim Fahrradfahren, beim Kopf-frei-bekommen, Auszeit-nehmen – Reiselust steigt in mir auf. Welch wunderbare Begegnung, so ganz unerwartet an einem Dienstagvormittag. Die Frauen der Frauenhilfe im Gemeindehaus bieten der Frau, die übrigens Sabine heißt, Kreppel und Kaffee an. Ich bewundere ihr voll bepacktes Mountainbike, mit großen Satteltaschen und einer großen Jakobsmuschel am Lenker. Sabine erzählt von ihrer Reise, ihren Erfahrungen unterwegs. Sie hat eigentlich mit der Kirche nichts zu tun, aber die eine oder andere Person und Gemeinde habe sie kennengelernt und Offenheit erlebt. Irgendwie gehört das auch für mich dazu, dass Kirchengemeinden offen sind für alle Menschen, nicht nur in Notlagen. Vor allem ansprechbar, zugewandt und auch beherbergend, wo möglich.

 

Als „Gemeinschaft der Heiligen“, wie wir es im Glaubensbekenntnis Sonntag für Sonntag beten, da blitzt durch, was wir sind: Heilige. Jetzt nicht so wie sie vielleicht denken. Ich glaube wir sind eher komische Heilige, Alltagsheilige, so bestimmt.

 

Manchmal merken wir das gar nicht, aber da wo wir uns einander zuwenden, jemandem ein Lächeln schenken, unsere Hilfe anbieten oder anderes, da verschenken wir kleine Häppchen Nächstenliebe. So manche Begegnung verändert uns. Mich hat diese Begegnung an einem durchschnittlichen Dienstag bewegt und aus dem Alltagstrott geholt. Am nächsten Morgen haben wir Sabine verabschiedet und sie hat sich wieder auf ihr Rad geschwungen. Einfach losgefahren ist sie, mit leichtem Gepäck. Und sie hat etwas von ihrer positiven Energie dagelassen.

 

Ich wünsche Ihnen immer wieder positive Begegnungen, gerade jetzt in dieser Jahreszeit, durch die wir alle gemeinsam gehen. Und das schöne am November, um ihn jetzt nicht ganz ins Abseits zu stellen, das sind die Stunden mit warmem Tee und Decke drinnen und dass die Zeit und ihre Beschleunigung sich verlangsamen. Wenn ich am Fenster sitze, hat dann so mancher Regenschauer sogar etwas Schönes.

David Jumel ist Pfarrer der Kirchengemeinde Echzell

Das Engagement für den Frieden fängt bei mir selbst an

von Dieter Wichihowski

für den 17. November – Volkstrauertag

Pfarrer Dieter Wichihowski. ©Daniel Lijovic
Pfarrer Dieter Wichihowski. ©Daniel Lijovic

„O, Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens,

dass ich Liebe übe, wo man sich hasst;

dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt;

dass ich versöhne, wo Streit ist;

dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum wohnt…“

 

So lautet der Anfang eines Gebets, das dem Heiligen Franz von Assisi zugeschrieben wird und das mich im Blick auf den Volkstrauertag in besonderer Weise berührt.

 

Am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres gedenken wir in unseren Gottesdiensten und an den Kriegerdenkmalen in besonderer Weise all der Menschen, die bei uns hier in Deutschland und weltweit Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung geworden sind.

 

Doch mir fällt auf, dass es in den vergangenen Jahren immer weniger Menschen geworden sind, die an diesen Gedenkfeiern teilgenommen haben, denn die Menschen in unserem Land, die einen Krieg noch hautnah miterleben mussten, werden immer weniger. Die jungen Leute hingegen haben vielfach keinen Bezug mehr zu einem Gedenktag, der ihr Leben scheinbar nicht mehr berührt.

 

Aber mein Fühlen und Denken sagt mir, dass uns dieser Gedenktag heute nicht weniger angeht, als in früheren Jahren und Jahrzehnten. Nicht nur durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die nahezu täglich in unseren Nachrichten präsent sind (es gibt daneben noch circa 40 andere kriegerische Auseinandersetzungen auf der Welt, von denen kaum jemand etwas weiß), sondern auch durch die Lebenseinstellung vieler Menschen, die mir in unserem Land begegnen.

 

Auch die Rhetorik einiger Politiker (und es werden leider immer mehr), die eine friedensverachtende und damit auch menschenverachtende Einstellung zeigen, kann uns die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Das macht Angst und lässt eine Zukunft erahnen, von der wir glaubten, dass sie überwundene Geschichte sei.

 

Umso wichtiger erscheint mir, nicht nur im Gegenüber zu einem „Gott allen Friedens“ um Frieden zu beten, sondern auch bei den Gedenkveranstaltungen für diesen Frieden im öffentlichen Raum einzutreten. Denn das Gebet des Heiligen Franz von Assisi sagt es mir immer wieder ganz deutlich: Das Engagement für den Frieden fängt immer bei mir selbst und bei meiner eigenen Lebenseinstellung an.

 

Dieter Wichihowski, ist  Pfarrer in den Evangelischen Kirchengemeinden Höchst a.d.N./Oberau und der Martin-Luther-Gemeinde Waldsiedlung

Einen Versuch ist es wert

von Ulrike Wohlfahrt

für den 10. November

Pfarrerin Ulrike Wohlfahrt. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Ulrike Wohlfahrt. ©Daniel Lijovic

Fast hätte ich es vergessen – Ihnen zu schreiben, liebe Leserinnen und Leser,

 

zu sehr nahmen mich die Umwälzungen der letzten Tage gefangen. Erst schauten alle in die USA, dann spitzte sich die Lage in unserer eigenen Regierung zu. In den Medien schien der Weltuntergang nahe. Da die Welt aber doch nicht untergegangen ist, geht das Streiten nun weiter. Nur mit anderen Themen. Das ist alles ganz wichtig. Streiten und Ringen um den richtigen Weg. Wenn alle einer Meinung sind und immer genau wissen, was richtig ist, drohen Sichtweisen verloren zu gehen. So manches läuft dann Gefahr, übersehen zu werden. Die Frage ist eher, ob wir uns von all dem politischen Taktieren und Ringen aufreiben lassen.

 

Ein ganz anderes Licht kommt dazu, wenn wir erleben, dass Menschen geboren werden und sterben. Das geschieht nämlich trotz aller politischen Kämpfe und aller realen Kriege in unserer Welt weiter. Das Sterben betrifft auch nicht nur Menschen in weit entfernten Kriegsgebieten. Nicht nur alte Menschen sterben, sondern auch junge – viel zu junge.

 

Da tut es gut, wenn mitten hinein ein kleines Kind quakt. Es holt uns heraus aus unserem Tun, fragt nach den Grundlagen unseres Lebens. Es schreit, weil es Hilfe erwartet, weil es noch Hoffnung hat, dass es behütet ist und sich jemand um das Kind sorgt.

 

Das Kind, es tut, was wir auch tun dürfen: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Matthäus 7,7)

 

Ob wir es schaffen, so auf unseren Lebensgrund – auf Gott – zu vertrauen, dass wir das tun? Wann haben Sie das letzte Mal bei Gott angeklopft, nach ihm gesucht, zu ihm gebetet?

 

Nicht, um alles abzugeben. Wir sind keine Babys mehr. Aber um nicht alleine dazustehen in all den An- und Überforderungen unseres Lebens. Wie bei Freunden, die wir zu rate ziehen, die wir anrufen, bei denen wir uns vergewissern, die aber auch uns einmal hinterfragen. Nur, mit einem anderen, einem viel weiteren Blick auf die Welt. „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Ich finde, einen Versuch ist es Wert.

Ulrike Wohlfahrt ist Pfarrerin der Kirchengemeinde Düdelsheim

Über Zeitzonen und Sprachen hinweg verbunden

von Birgit Hamrich

für den 3. November

Dekanin Birgit Hamrich. ©Daniel Lijovic
Dekanin Birgit Hamrich. ©Daniel Lijovic

Gott segne dich!, sagt mir die Putzfrau auf dem Flughafen früh am Morgen im indischen Kochi. Sie nimmt meine Hand in ihre und schaut mir sanft in die Augen. Ich bin völlig überrumpelt. Ist es die Müdigkeit, sind es die Eindrücke der hinter mir liegenden Tage, die mich dünnhäutig gemacht haben? Ich gehe etwas unsicher, tief angerührt und gleichzeitig gestärkt in die Abflughalle, setze mich erst mal hin und warte, dass mein Rückflug aufgerufen wird.

 

Meine Gedanken wandern zurück zu den Begegnungen der vergangenen Tage in einem mir fremden Land, in einer anderen Zeit- und Klimazone, einer fremden Sprache und Kultur. So viel Schönes und Schweres nebeneinander habe ich selten erlebt. Und als das Flugzeug seine Höhe erreicht, mein Sitznachbar eingedöst ist, fange ich an zu schreiben. So viele Bilder ziehen vor meinem inneren Auge vorbei. Ich verweile bei den intensiven Farben der wunderbaren Saris, der eleganten Gewänder der Frauen, die sie wie Königinnen aussehen lassen; die anfangs scheu blickenden Kinder, die dann ausgelassen und fröhlich mit den Luftballons spielen, die wir mitgebracht haben, und die gütig wirkenden Alten, die sich über den Besuch und das gemeinsame Singen freuen. „Hier habe ich den Eindruck, die Menschen sehen bis auf den Grund meiner Seele“, sagt die Freundin, mit der ich unterwegs bin.

 

Wir feiern gemeinsam Gottesdienste in Kirchen hoch in den Bergen. Die Sprachen, die gesprochen werden – Malayalam oder Tamil – klingen fern und fremd. Das Englische der Übersetzer verbindet uns und noch mehr das Unausgesprochene, das Wissen um eine gemeinsame Glaubenstradition, die im Büdinger Land und dem Vogelsberg genauso wie in Kerala durch die Unwägbarkeiten, Unsicherheiten und Ängste des Lebens trägt. Oft wird uns beim Abschied ans Herz gelegt: „Behaltet uns in euren Gebeten!“ Ja, das möchte ich behalten. Genauso wie meine Bitte und mein Vertrauen, dass diese Menschen für uns beten.

 

Wir kommen aus einer Woche der Gedenktage: Reformationsfest haben evangelische Christen am 31. Oktober gefeiert, Allerheiligen am 1. November und am 2. November Allerseelen die katholischen Christen. Es sind Tage des Erinnerns und Gedenkens. Für mich sind es Tage, an denen die Fragen mich begleiten: Wo komme ich her? Was sind die Wurzeln, die mich nähren? Wer hat mich geprägt? Wie bin ich unterwegs? Es sind existenzielle Fragen, die vor allem in Zeiten, in denen ich dünnhäutig bin, relevant werden.

 

Die Zeit in einem Land, elf Flugstunden von uns entfernt, und die vergangenen Tage haben mich diesen Fragen wieder nähergebracht. Die Erfahrung einer gemeinsamen Glaubenstradition, die Bestand hat, das einander wirklich Ansehen, Wahrnehmen und miteinander im Gebet und in Gedanken über Zeitzonen und Sprachen verbunden bleiben, möchte ich gerne erhalten und weitergeben. Nicht nur an Gedenktagen.

 

Gott segne dich!

Birgit Hamrich ist Pfarrerin und Dekanin des Evangelischen Dekanats Büdinger Land

Wir können für andere zum Segen werden

von Tanja Langer

für den 20. Oktober

Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. ©Daniel Lijovic

Wenn Sie diese Zeilen lesen, sitze ich bereits in einem Flugzeug auf dem Weg in einen lang ersehnten Urlaub. Seit meinem Geburtstag im Januar breitet sich die Vorfreude darauf Monat für Monat weiter aus. Zu Beginn habe ich unzählige Internetseiten durchforstet auf der Suche nach einem geeigneten Flug. Danach die Suche nach einem Ferienhaus, das allen Mitreisenden das bietet, was wir uns wünschen. Ich bin nämlich nicht alleine unterwegs. Zwei Freundinnen begleiten mich. Die eine zu krank, um alleine verreisen zu können, die andere musste sich von ihrem Mann verabschieden. Und ich? Ich will einen Tapetenwechsel, Neues sehen und erleben, mal durchschnaufen … und ich will für die beiden da sein, ihnen zeigen, dass sie mir am Herzen liegen und dass wir trotz Erkrankung und Verlust das Leben feiern können.

 

Erst vor ein paar Tagen stand das alles auf der Kippe. Wir reisen nach Florida, das innerhalb weniger Tage gleich zweimal hart durch Hurrikans getroffen wurde. Wir haben die Nachrichten verfolgt, uns Livestreams angesehen. Aber nicht, weil wir Angst um unseren Urlaub hatten. Uns hat das Schicksal der Menschen betroffen gemacht. Auch das der Tiere. Da wurden Telefonnummern auf den Rücken von Pferden und Rindern gesprüht und sie frei gelassen, um ihnen eine Überlebenschance zu geben. Einen Tag nach „Milton“ dann die erlösende Nachricht: Es wurde nicht so schlimm wie erwartet. Und doch stehen unzählige Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz.

 

Wir überlegten, ob wir uns wirklich als Touristen dort aufhalten wollen. Es kam uns falsch vor, uns in den Liegestuhl zu legen, während um uns herum die Folgen der Katastrophe nicht zu übersehen sind, so als seien wir Eindringlinge. Wir begannen Plan B auszuhecken. Von Florida weiterfliegen irgendwohin, wo gerade keine Naturkatastrophe wütet.

 

Doch dann haben wir es uns anders überlegt. Wir fliegen nach Florida. Wir haben uns vorgenommen, nicht wie Eindringlinge dabei zuzusehen, wie die Menschen dort aufräumen. Nein, wir haben uns vorgenommen anzupacken, wenn wir sehen, dass etwas zu tun ist.

 

Ist es der Urlaub, den wir geplant haben? Nein, wahrscheinlich nicht. Und jetzt kommt das „Aber“. Im Wochenspruch aus dem Römerbrief heißt es: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem." Eine Naturkatastrophe ist kein Krieg oder dergleichen. Dennoch gibt es Tod und Zerstörung und Menschen, die leiden. In meinem Beruf als Pfarrerin erfahre ich, dass meine Arbeit in meiner Gemeinde, bei den Menschen einen Unterschied macht. Und zwar zum Guten. Wenn ich merke, dass ich durch die Worte bei einer Trauerfeier die Angehörigen wirklich trösten kann, wenn ich einem Konfirmanden mit auf den Weg geben kann, dass Gott auch sein ständiger Begleiter ist, dann bekomme ich so viel von den Menschen zurück. Gott sagt: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ Genau das ist der Punkt. Wir sind von Gott gesegnet und können in die Welt hinausgehen und für andere zum Segen werden. Egal, was uns in Florida erwartet, es wird gut werden.

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen

Liebe üben für mehr Mitmenschlichkeit und Miteinander!

von Alexander Starck

für den 13. Oktober

Pfarrer Alexander Starck. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrer Alexander Starck. Foto: Daniel Lijovic

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6,8 – Lutherbibel)

 

Der Wochenspruch für die kommende Woche will Antwort geben auf die Frage, wie man sein Leben - vor Gott - richtig gestalten soll. Der Satz kommt so daher, als gäbe es ein ganz einfaches Rezept Gutes zu tun und zu wissen, was Gott von uns Menschen erwartet. Aber dann kommt eine Aufzählung, die ganz schön große Worte enthält – Gottes Wort, Liebe, Demut. Und was soll ich einzelner Mensch jetzt damit machen?

 

Eine andere Bibelübersetzung – die BasisBibel – ist da schon etwas konkreter, dort liest sich die Anleitung zum gut leben so: das Rechte tun, Nachsicht mit anderen haben und bewusst den Weg mit deinem Gott gehen. Diese Übersetzung gibt schon eher einen Hinweis darauf, worum es geht: Es geht nicht nur um mich als Einzelnen. Recht halten, Nachsicht mit anderen haben – das sind Prinzipien, die auch auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt abzielen.

 

Alles, was wir tun – und auch das, was wir lassen , hat Auswirkungen auf andere. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der sich so vieles um die eigene Person dreht, ist dies eine ganz wichtige Erkenntnis! Denn wir leben nicht nur für uns selbst; wir können unsere Mitmenschen nicht einfach ausblenden oder ignorieren … Wir sind aufeinander angewiesen.

 

Und was ist mit dem letzten Teil des Wochenspruchs, der Demut vor Gott – bzw. je nach Übersetzung das bewusste Gehen mit Gott? Das ist die Erinnerung daran, dass wir in unseren Bemühungen für ein gutes Miteinander nicht allein gelassen werden.

 

Wenn ich den Wochenspruch im Buch des Propheten Micha lese, kommt mir noch eine andere Bibelstelle in den Sinn: Im Markusevangeliuum wird Jesus gefragt, was das höchste Gebot sei. Seine Antwort:

 

Das höchste Gebot ist das: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft“ (5. Mose 6,4-5). Das andre ist dies: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese beiden. (Mk 12,29-31)

 

Jesus ist offen auf die Menschen zugegangen. Er hat sich mit ihnen auseinandergesetzt, geholfen, geheilt ... Seine Richtschnur dabei waren die Worte Gottes, durch die er sich für ein gutes Miteinander eingesetzt hat.

 

Das sollten wir auch wieder mehr einüben – dieses Miteinander in der Gesellschaft. Das braucht tatsächlich auch Übung und ein gewisses Maß an Liebe, die ich mir selbst entgegenbringe.

 

„Es wurde dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir erwartet: das Rechte tun, Nachsicht mit anderen haben und bewusst den Weg mit deinem Gott gehen.“ (Micha 6,8 – BasisBibel)

Alexander Starck ist Pfarrer im Nachbarschaftsraum Niddaer Land

Danken macht freundlich

von Andreas Weik

für den 6. Oktober

Pfarrer Andreas Weik. Foto: Fotowerk Büdingen
Pfarrer Andreas Weik. Foto: Fotowerk Büdingen

Von einem Mann will ich erzählen, der hatte im Dorf seinen Uznamen weg. Man nannte ihn scherzhaft den Herrn „Isjanichtsbesonderes“. Die Leute bestaunten seinen prächtigen Walnussbaum im Hof, doch er meinte nur knurrend: „Isjanischtsbesonderes. Was will man denn mit all den Nüssen? Und da ist ja auch der Dreck, den der Baum macht“. Dieser Mann war erfolgreich im Beruf, verdiente viel Geld und konnte sich tolle Dinge leisten. Wenn die Leute ihn dafür bewunderten, antwortete er immer, dass dies doch nichts Besonderes sei. Dieser Mann hatte drei tolle Kinder. Alle waren gesund, begabt und erfolgreich in Schule und Sport. Beim Elternsprechtag sagte die Lehrerin: „Auf ihre Kinder können Sie stolz sein“. Da antwortete er: „Isjanichtsbesonderes. Bei den Genen“ und zwinkerte ihr zu. Nun wird klar, warum alle im Dorf ihn nur den ´“Herrn Isjanichtsbesonderes“ nannten.

 

Eines Tages traf Herr „Isjanischtsbesonderes“ Frau „Dankeschön“. „Oh", sagte er bewundernd: „Sie sehen schön und zufrieden aus, irgendwie rundum glücklich.“

„Dankeschön“, sagte Frau Dankeschön. „Ja, genau so ist es. Aber, wenn ich mir das erlauben darf, dann kann man das von Ihnen nicht unbedingt sagen. Sie sehen nicht so zufrieden aus.“ „Isjanichtsbesonderes“, sagte Herr Isjanischtsbesonders.

 

Als Frau Dankeschön abends ihren Kindern von der Begegnung erzählte, sagte ihre Tochter: „Es ist ja nichts Besonderes, wenn der unzufrieden aussieht. Wenn man nämlich an allem auf der Welt nichts Besonderes findet, dann wird man unzufrieden und miesepetrig.“ „Woher hast Du denn diese Weisheit“, mischte sich der Vater ein.

 

„Heute haben wir im Reliunterricht darüber gesprochen: Danket dem Herr, denn das macht freundlich.“ Eigentlich heißt es aber „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich“, meinte Frau Dankeschön. „Aber es stimmt. Danken macht auch freundlich. Denn wenn man für etwas Danke sagt, dann findet man, dass es etwas Besonderes ist, und über etwas Besonderes freut man sich und darum macht Danken freundlich.“ 

 

Morgen wird in vielen Gemeinden Erntedankfest gefeiert. Eine Einladung zum Dank Gott gegenüber. Wir danken für die Vielfalt der Früchte in unseren Gärten und für das, was die Bauern angebaut und geerntet haben. Wir machen uns bewusst, in welcher Fülle wir leben. Zu den Schätzen unseres Lebens gehört auch, dass wir in Freiheit leben können. Der Jahrestag der Deutschen Einheit ist für mich etwas ganz Besonderes. Die Überwindung der Mauern und des Stacheldrahtes zwischen Ost und West, der Mut der Menschen damals, der friedliche Prostest und ein Umsturz ohne Blutvergießen. Das bleibt etwas ganz Besonderes und Großes in unserer Geschichte und dies muss uns eine Verpflichtung bleiben.

 

Anders als damals in der DDR darf ich in unserem Land denken, glauben und sagen, was ich will. Ich darf hochgestellte Persönlichkeiten öffentlich kritisieren, ohne dafür ins Gefängnis zu kommen. Mir wird ermöglicht, meine Religion frei auszuüben. Ich kann mir beruflich eigene Ziele stecken ... Es gibt so viele Dinge, die ich für selbstverständlich erachte und die es keineswegs sind. Der Tod jeder Dankbarkeit ist die Selbstverständlichkeit. Die Geburtshelferin, die Hebamme zum Lebensglück ist das Staunen und das Erkennen des Besonderen.  

Andreas Weik ist Pfarrer der Kirchengemeinde Büdingen mit Calbach und Orleshausen

Musste Jesus zum Lachen in den Keller gehen?

von Ulrich Bauersfeld

für den 22. September

Pfarrer Ulrich Bauersfeld. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrer Ulrich Bauersfeld. Foto: Daniel Lijovic

„Der geht zum Lachen in den Keller!“ – sagen wir manchmal über einen Menschen, der immer nur mit ernstem Gesicht herumläuft. Dabei können wir natürlich nur das beurteilen, was wir sehen. Vieles geschieht, und wir sehen es nicht. So kann es auch sein, dass der – von dem wir denken, dass er nur im Keller lacht – dass der durchaus auch seine fröhlichen Zeiten an der frischen Luft hat.

 

Doch wie war das eigentlich mit Jesus? Hat er gelacht? Musste er dazu in den Keller gehen oder haben alle es gesehen und gehört? Erstaunlicherweise steht davon nichts in der Bibel. Ich habe keine Stelle gefunden, an der so etwas steht wie: „Und Jesus lachte.“ Schade eigentlich.

 

Andererseits gibt es viele Geschichten und Worte Jesu in den Evangelien, die kann ich mir gar nicht anders vorstellen, als dass Jesus dabei gelächelt oder gelacht oder zumindest mit dem Auge gezwinkert hat.

 

Der Spruch vom Kamel im Nadelöhr oder das Bild vom Balken im Auge: Da stehen ernste Aussagen dahinter. Klar. Aber es sind auch irgendwie lustige Ideen. Man muss sich das mal vorstellen! Oder wie Zachäus, der würdevolle Zolleinnehmer, den Jesus vom Baum holt: „He du! Komm da mal runter! Ich will dich besuchen!“ Ohne ein Augenzwinkern, ohne ein Schmunzeln geht das gar nicht - bei so einer Geschichte.

 

Ich bin mir sicher, dass Jesus gelacht hat – gelacht, gelächelt, geschmunzelt. Dabei hat er nicht über die Menschen gelacht, aber mit ihnen. Und manche fröhliche Bemerkung kann Türen öffnen, Menschen ansprechen – und so vielleicht auch die eine oder andere ernste Sache leichter hörbar machen.

 

Jesus hat gelacht. Und wir dürfen das auch tun. Öffentlich sichtbar. Wir müssen dazu nicht in den Keller gehen. Denn christlicher Glaube ist zuallererst keine ernste Angelegenheit, sondern ein voller Grund zur Freude. So hat das auch der Mann aus Äthiopien gesehen. Von ihm wird in der Apostelgeschichte erzählt. Er war auf dem Weg von Jerusalem nach Hause. Durch das Gespräch mit einem Mann namens Philippus fand er zu Jesus und zum Glauben an ihn. Er ließ sich taufen. Daraufhin – so endet die Geschichte – „zog er seine Straße fröhlich".

 

Glaube an Gott, Leben mit Jesus ist zuallererst ein Grund zur Freude! Ich wünsche uns, dass uns dies (bei allem, was sonst noch passiert) immer wieder bewusst wird – wie eine Grundmelodie unseres Lebens.

Ulrich Bauersfeld ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Wenings/Merkenfritz und stellvertretender Dekan im Dekanat Büdinger Land

Freiheit ...

von Frank Eckhardt

für den 8. September

Pfarrer Frank Eckhardt. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrer Frank Eckhardt. Foto: Daniel Lijovic

Im Lied 610 des Evangelischen Gesangbuch “Herr, deine Liebe...” heißt es:

 

„Wir wollen Freiheit, um uns selbst zu finden, Freiheit, aus der man etwas machen kann.

Freiheit, die auch noch offen ist für Träume, wo Baum und Blume Wurzeln schlagen kann.“

 

Mit der Freiheit ist das aber so eine Sache, weil jeder und jede etwas anderes darunter versteht. Darum sprechen wir auch von der „persönlichen Freiheit“. Wir lassen uns nicht gerne etwas vorschreiben, wir wollen tun, wozu wir gerade Lust haben. Aber bald merken wir: So klappt das nicht. Vielleicht mal im Urlaub -aber auch da gibt es Regeln, an die wir uns halten müssen. Wir entdecken: Wenn jeder seine persönliche Freiheit haben will, dann herrscht bald Chaos.

 

Darum spricht die Bibel nicht von der persönlichen Freiheit, sondern von einer Freiheit, die von Christus abgeleitet, von seinem Geist erfüllt ist. Freiheit kann also nie etwas sein, was einen anderen Menschen verletzt oder was ihn in seiner Freiheit beschneidet. Freiheit im Geist Jesu ist immer von der Liebe bestimmt – von der Liebe zu Gott, zum Nächsten, aber auch von der Liebe zur Schöpfung.

 

Wo ich die Freiheit des anderen respektiere, werde auch ich meine Freiheit finden. Martin Luther hat das einmal so ausgedrückt: „Ein Christ ist ein freier Mensch und niemandem untertan“ – aber auch: „Ein Christ ist ein freier Mensch und jedermann untertan.“ In dieser Spannung verläuft unser Leben. In Freiheit sind wir nicht für uns selbst da, sondern auch für die anderen.

Frank Eckhardt ist Pfarrer der Kirchengemeinden Breungeshain, Busenborn und Michelbach

Durchatmen mit Leib und Seele

von Elisabeth Engler-Starck

für den 1. September 2024

Elisabeth Engler-Starck. Foto: Daniel Lijovic
Elisabeth Engler-Starck. Foto: Daniel Lijovic

Wo können Sie mal so richtig durchatmen? Einatmen, ausatmen, zur Ruhe kommen. Für manche Menschen geht das gut zuhause auf dem Sofa, andere nutzen dazu die Bewegung beim Sport oder verschiedene Orte im Urlaub. Auch Kirchen oder Gottesdienste können solche Ruheorte sein.

 

Für mich ist so ein wichtiger Ort draußen in der Natur. Ganz besonders der Wald. Die Sonne blinkt durch das Blätterdach, aber auch an heißen Sommertagen spenden die Bäume angenehm Schatten. Wenn der Wind die Bäume rauschen lässt, Vögel zwitschern, irgendwo vielleicht noch ein kleiner Bach plätschert – da kann ich mit Leib und Seele durchatmen. Pflanzen, Tiere, Wasser – und ich mittendrin. Ich finde, intensiver kann man Gottes Schöpfung nicht erfahren.

 

Zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober feiern viele Kirchen die sogenannte Schöpfungszeit. 2007 hatte eine ökumenische Versammlung verschiedener europäischer Kirchen dazu aufgerufen, in dieser Zeit besonders für die Schöpfung und ihren Schutz zu beten. In der Evangelischen Kirche ist die Verbindung zu Natur und Schöpfung schon lange eher mit dem Ende dieses Zeitraums verbunden – schließlich wird das Erntedankfest vielerorts am ersten Oktoberwochenende gefeiert.

 

Aber mir gefällt der Gedanke sehr gut, die Zeit auszudehnen, in der der Schöpfung und ihrer Bewahrung gedacht wird. Nicht nur ihre Erzeugnisse und Früchte an Erntedank zu feiern, sondern auch schon vorher auf all das zu schauen, was diese Welt ausmacht und was genau wie wir Menschen - zur Schöpfung gehört.

 

Ein Tag in der Schöpfungszeit, in dem an vielen verschiedenen Orten in Deutschland die Schöpfung so betrachtet wird, ist der erste Freitag im September. Seit 2010 feiert die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, in der ganz unterschiedliche christliche Kirchen miteinander ins Gespräch kommen, diesen Tag als Schöpfungstag und regt Kirchengemeinden und Gruppen an, das auch zu tun.

 

Im Dekanat Büdinger Land feiern wir in diesem Jahr den Schöpfungstag am 6. September in Bad Salzhausen – mitten in der Natur im Kurpark wird gesungen, gebetet, Natur erlebt, Schöpfung gefeiert. Und ganz wichtig dabei: Der Dank für Gottes Schöpfung. Dazu passt auch der Wochenspruch für die kommende Woche aus Psalm 103: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Im Alltag, mitten in der lauten Welt, in der bei weitem nicht alles Gut ist, fällt das manchmal schwer. Aber beim Durchatmen mit Leib und Seele, mitten in Gottes Schöpfung, da fällt es mir plötzlich ganz leicht. Probieren Sie es doch auch mal!

Elisabeth Engler-Starck ist Referentin für Ökumene im Evangelischen Dekanat Büdinger Land

Das Richtige tun

von Tanja Langer

für den 18. August 2024

Pfarrerin Tanja Langer. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. Foto: Daniel Lijovic

Vor ein paar Jahren war ich zu einem Hochzeitsjubiläum bei einem älteren Ehepaar. Es war schon Nachmittag, als ich die Zeit fand, hinzugehen. Das Ehepaar freute sich wie Bolle, als ich vor der Tür stand. Sie schäumten über vor Gastfreundschaft. Brachten mir ein Glas Wasser, Sekt und Kuchen. Ja und dann auch einen Teller mit Schnittchen. Sorgfältig geschnittene kleine Baguettescheiben, belegt mit Lachs oder Wurst und liebvoll verziert mit Gürkchen und Tomätchen. Nur leider mindestens schon sechs Stunden ohne Kühlung auf dem Esstisch gestanden. Sie erzählten mir dabei, dass sie eigentlich mit vielen Gästen gerechnet hätten, auch mit einem Besuch der Stadt, die eigentlich in solchen Fällen eine Urkunde überreicht. Aber keiner kam, nur ich mit meiner Urkunde der Kirchengemeinde und einem kleinen Heftchen mit Anekdoten zum Jubiläum. Ich überlegte fieberhaft, was ich nun tun sollte. Die Wahrheit sagen, dass die Schnittchen so angegammelt aussahen, dass ich sie nicht essen möchte? Oder Augen zu und durch? Was hätten Sie getan?

 

Wenn wir aufwachsen bekommen wir von der Familie beigebracht, die Wahrheit zu sagen. Lügen ist schlecht. So sagen es ja auch schon die zehn Gebote: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Warum tun wir uns trotzdem so schwer, mit der Wahrheit herauszurücken? Warum sagen wir nicht einfach, was wir denken?

 

Ganz einfach. Weil wir mittlerweile erfahren sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen womöglich mit Rückzug und Kränkung reagieren, wenn wir ehrlich sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Wahrheit negative Auswirkungen auf unsere Beziehungen haben kann. Und dann gibt es ja auch noch den Fall, dass man nicht ehrlich ist, weil es einen vor Strafe schützt oder einen Vorteil für einen birgt.

 

All diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Im Fall der Schnittchen habe ich Variante „Augen zu und durch“ gewählt. Lächelnd auf den Gummibaguettes herumgekaut und gut mit Sekt nachgespült. Hier spielte vor allem Höflichkeit eine Rolle. Ich spürte, dass sie es wirklich gut mit mir meinen und schon so enttäuscht waren, weil sonst niemand kam. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, abzulehnen.

 

Und so haben wir uns Mechanismen zugelegt, wie wir in solchen Situationen reagieren.

 

Stellen Sie sich vor, schon die Bibel kennt diese Mechanismen. Adam, der erste Mensch, wollte nicht anerkennen, dass er gegen Gottes Willen handelte. Er war schuldig geworden, erkannte sogar, dass er nackt war. Er wählte aber den Rückzug und versteckte sich vor Gott und der Realität. Täuschung und Manipulation gehören seither zu unserem Leben und haben Auswirkungen auf unser Miteinander.

 

Einerseits fordern wir von anderen, authentisch zu sein. Andererseits fällt es uns oft selbst so schwer, ehrlich zu sein und auch ehrliche Kritik an unserer Person auszuhalten und im besten Fall auch anzunehmen, wenn sie berechtigt ist.

 

Ehrlichkeit hat also ihren Preis, in so vielen Facetten unseres Lebens.

 

Aber ganz ehrlich? Einfach macht es uns die Ehrlichkeit nicht. Sie versetzt uns in ein Spannungsfeld von Werten und Motiven. Es gibt ja doch eine Schmerzgrenze an Ehrlichkeit, die ein gutes Miteinander aushält. Dennoch fordert mich die Bibel an mehreren Stellen auf, die Wahrheit zu leben. Was hilft nun?

 

Mir persönlich hilft die Frage nach meiner Motivation. Will ich mein Gegenüber mit der Wahrheit verletzen? Kritisiere ich vielleicht gerade nur, weil ich einen Blitzableiter für meine schlechte Stimmung brauche, also das klassische „Um sich beißen“. Oder mache ich womöglich einem Menschen nur ein Kompliment, weil ich ihn manipulieren will?

 

Ich denke, man muss nicht immer aussprechen, was wahr ist. Vielleicht gibt es dafür einen besseren Zeitpunkt. Und es ist wichtig, sich seiner eigenen Werte bewusst zu bleiben, damit man morgens in den Spiegel schauen kann. Außerdem gehört für mich für einen gesunden Umgang mit der Ehrlichkeit auch immer Gott dazu. Er hat mich gemacht. Mit der Freiheit Entscheidungen zu treffen. Ihm können wir nichts vormachen. In Psalm 139 lesen wir, wie gut Gott uns kennt, Lege ich mich hin, stehe ich auf, Gott weiß es. Welche Worte meine Lippen verlassen werden. Auch das weiß Gott. Gott kennt uns besser, als wir uns selbst. Im Schutzraum seiner bedingungslosen Annahme kann ich weiter lernen, mich auch den Menschen so zu zeigen, wie ich bin. Leben nach dem Motto: Was du nicht willst, dass man dir tut, das füge auch keinem anderen zu. Ich glaube mit diesem Wissen im Hinterkopf kann es uns gelingen, das Richtige zu tun.

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen