gedanken zum sonntag


Durchatmen mit Leib und Seele

von Elisabeth Engler-Starck

für den 1. September 2024

Elisabeth Engler-Starck. Foto: Daniel Lijovic
Elisabeth Engler-Starck. Foto: Daniel Lijovic

Wo können Sie mal so richtig durchatmen? Einatmen, ausatmen, zur Ruhe kommen. Für manche Menschen geht das gut zuhause auf dem Sofa, andere nutzen dazu die Bewegung beim Sport oder verschiedene Orte im Urlaub. Auch Kirchen oder Gottesdienste können solche Ruheorte sein.

 

Für mich ist so ein wichtiger Ort draußen in der Natur. Ganz besonders der Wald. Die Sonne blinkt durch das Blätterdach, aber auch an heißen Sommertagen spenden die Bäume angenehm Schatten. Wenn der Wind die Bäume rauschen lässt, Vögel zwitschern, irgendwo vielleicht noch ein kleiner Bach plätschert – da kann ich mit Leib und Seele durchatmen. Pflanzen, Tiere, Wasser – und ich mittendrin. Ich finde, intensiver kann man Gottes Schöpfung nicht erfahren.

 

Zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober feiern viele Kirchen die sogenannte Schöpfungszeit. 2007 hatte eine ökumenische Versammlung verschiedener europäischer Kirchen dazu aufgerufen, in dieser Zeit besonders für die Schöpfung und ihren Schutz zu beten. In der Evangelischen Kirche ist die Verbindung zu Natur und Schöpfung schon lange eher mit dem Ende dieses Zeitraums verbunden – schließlich wird das Erntedankfest vielerorts am ersten Oktoberwochenende gefeiert.

 

Aber mir gefällt der Gedanke sehr gut, die Zeit auszudehnen, in der der Schöpfung und ihrer Bewahrung gedacht wird. Nicht nur ihre Erzeugnisse und Früchte an Erntedank zu feiern, sondern auch schon vorher auf all das zu schauen, was diese Welt ausmacht und was genau wie wir Menschen - zur Schöpfung gehört.

 

Ein Tag in der Schöpfungszeit, in dem an vielen verschiedenen Orten in Deutschland die Schöpfung so betrachtet wird, ist der erste Freitag im September. Seit 2010 feiert die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, in der ganz unterschiedliche christliche Kirchen miteinander ins Gespräch kommen, diesen Tag als Schöpfungstag und regt Kirchengemeinden und Gruppen an, das auch zu tun.

 

Im Dekanat Büdinger Land feiern wir in diesem Jahr den Schöpfungstag am 6. September in Bad Salzhausen – mitten in der Natur im Kurpark wird gesungen, gebetet, Natur erlebt, Schöpfung gefeiert. Und ganz wichtig dabei: Der Dank für Gottes Schöpfung. Dazu passt auch der Wochenspruch für die kommende Woche aus Psalm 103: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Im Alltag, mitten in der lauten Welt, in der bei weitem nicht alles Gut ist, fällt das manchmal schwer. Aber beim Durchatmen mit Leib und Seele, mitten in Gottes Schöpfung, da fällt es mir plötzlich ganz leicht. Probieren Sie es doch auch mal!

Elisabeth Engler-Starck ist Referentin für Ökumene im Evangelischen Dekanat Büdinger Land


Das Richtige tun

von Tanja Langer

für den 18. August 2024

Pfarrerin Tanja Langer. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrerin Tanja Langer. Foto: Daniel Lijovic

Vor ein paar Jahren war ich zu einem Hochzeitsjubiläum bei einem älteren Ehepaar. Es war schon Nachmittag, als ich die Zeit fand, hinzugehen. Das Ehepaar freute sich wie Bolle, als ich vor der Tür stand. Sie schäumten über vor Gastfreundschaft. Brachten mir ein Glas Wasser, Sekt und Kuchen. Ja und dann auch einen Teller mit Schnittchen. Sorgfältig geschnittene kleine Baguettescheiben, belegt mit Lachs oder Wurst und liebvoll verziert mit Gürkchen und Tomätchen. Nur leider mindestens schon sechs Stunden ohne Kühlung auf dem Esstisch gestanden. Sie erzählten mir dabei, dass sie eigentlich mit vielen Gästen gerechnet hätten, auch mit einem Besuch der Stadt, die eigentlich in solchen Fällen eine Urkunde überreicht. Aber keiner kam, nur ich mit meiner Urkunde der Kirchengemeinde und einem kleinen Heftchen mit Anekdoten zum Jubiläum. Ich überlegte fieberhaft, was ich nun tun sollte. Die Wahrheit sagen, dass die Schnittchen so angegammelt aussahen, dass ich sie nicht essen möchte? Oder Augen zu und durch? Was hätten Sie getan?

 

Wenn wir aufwachsen bekommen wir von der Familie beigebracht, die Wahrheit zu sagen. Lügen ist schlecht. So sagen es ja auch schon die zehn Gebote: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Warum tun wir uns trotzdem so schwer, mit der Wahrheit herauszurücken? Warum sagen wir nicht einfach, was wir denken?

 

Ganz einfach. Weil wir mittlerweile erfahren sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen womöglich mit Rückzug und Kränkung reagieren, wenn wir ehrlich sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Wahrheit negative Auswirkungen auf unsere Beziehungen haben kann. Und dann gibt es ja auch noch den Fall, dass man nicht ehrlich ist, weil es einen vor Strafe schützt oder einen Vorteil für einen birgt.

 

All diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Im Fall der Schnittchen habe ich Variante „Augen zu und durch“ gewählt. Lächelnd auf den Gummibaguettes herumgekaut und gut mit Sekt nachgespült. Hier spielte vor allem Höflichkeit eine Rolle. Ich spürte, dass sie es wirklich gut mit mir meinen und schon so enttäuscht waren, weil sonst niemand kam. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, abzulehnen.

 

Und so haben wir uns Mechanismen zugelegt, wie wir in solchen Situationen reagieren.

 

Stellen Sie sich vor, schon die Bibel kennt diese Mechanismen. Adam, der erste Mensch, wollte nicht anerkennen, dass er gegen Gottes Willen handelte. Er war schuldig geworden, erkannte sogar, dass er nackt war. Er wählte aber den Rückzug und versteckte sich vor Gott und der Realität. Täuschung und Manipulation gehören seither zu unserem Leben und haben Auswirkungen auf unser Miteinander.

 

Einerseits fordern wir von anderen, authentisch zu sein. Andererseits fällt es uns oft selbst so schwer, ehrlich zu sein und auch ehrliche Kritik an unserer Person auszuhalten und im besten Fall auch anzunehmen, wenn sie berechtigt ist.

 

Ehrlichkeit hat also ihren Preis, in so vielen Facetten unseres Lebens.

 

Aber ganz ehrlich? Einfach macht es uns die Ehrlichkeit nicht. Sie versetzt uns in ein Spannungsfeld von Werten und Motiven. Es gibt ja doch eine Schmerzgrenze an Ehrlichkeit, die ein gutes Miteinander aushält. Dennoch fordert mich die Bibel an mehreren Stellen auf, die Wahrheit zu leben. Was hilft nun?

 

Mir persönlich hilft die Frage nach meiner Motivation. Will ich mein Gegenüber mit der Wahrheit verletzen? Kritisiere ich vielleicht gerade nur, weil ich einen Blitzableiter für meine schlechte Stimmung brauche, also das klassische „Um sich beißen“. Oder mache ich womöglich einem Menschen nur ein Kompliment, weil ich ihn manipulieren will?

 

Ich denke, man muss nicht immer aussprechen, was wahr ist. Vielleicht gibt es dafür einen besseren Zeitpunkt. Und es ist wichtig, sich seiner eigenen Werte bewusst zu bleiben, damit man morgens in den Spiegel schauen kann. Außerdem gehört für mich für einen gesunden Umgang mit der Ehrlichkeit auch immer Gott dazu. Er hat mich gemacht. Mit der Freiheit Entscheidungen zu treffen. Ihm können wir nichts vormachen. In Psalm 139 lesen wir, wie gut Gott uns kennt, Lege ich mich hin, stehe ich auf, Gott weiß es. Welche Worte meine Lippen verlassen werden. Auch das weiß Gott. Gott kennt uns besser, als wir uns selbst. Im Schutzraum seiner bedingungslosen Annahme kann ich weiter lernen, mich auch den Menschen so zu zeigen, wie ich bin. Leben nach dem Motto: Was du nicht willst, dass man dir tut, das füge auch keinem anderen zu. Ich glaube mit diesem Wissen im Hinterkopf kann es uns gelingen, das Richtige zu tun.

Tanja Langer ist Pfarrerin in Eckartshausen


Kirche verändert sich – Gott bleibt derselbe

von Hanne Allmansberger

für den 11. August 2024

Pfarrerin Hanne Allmansberger. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrerin Hanne Allmansberger. Foto: Daniel Lijovic

Sommerzeit. Fahrradzeit. In unserem Nachbarschaftsraum Niddaer Land haben wir im Rahmen einer Sommerreihe morgen einen Abendmahlsgottesdienst in Bad Salzhausen. Dabei soll die Stadtradelaktion für Nidda feierlich eröffnet werden. Umsteigen vom Auto auf das Fahrrad – eine gute Idee, die auch Kirchenvorstände unterstützen im Team „Kirche unterwegs“.

 

Kirche verändert sich. EKHN 2030 nennt sich eine Entwicklung, die die Zukunft von Kirche gestalten will. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte waren oft: Menschen verlassen die Kirchen, die Kirchengemeinden, sie treten aus. Manche wollen schlicht Geld sparen. Manche haben sich schon lange gedanklich verabschiedet. Manche halten den christlichen Glauben für überflüssig. Das kann dann weg. Merkwürdigerweise kommen aber Menschen dann doch Weihnachten in die Kirche. Oder sie wollen ihr Kind taufen lassen, haben aber selbst die Kirche längst verlassen. Kirchliche Angebote werden gerne mitgenommen, aber Mitgliedschaft? Nein, so wichtig ist es doch nicht.

 

Als unsere Kirche noch ganz jung war und die Jünger Jesu noch am Leben, kamen die ersten Christen aus dem Judentum. In Jerusalem fing alles an. Dem jüdischen Glauben entsprach es, sich an die Thora, an Gottes Weisung für das Leben zu halten. Gebote sind dazu da, das Leben und das Miteinander zu schützen – das Miteinander von Gott und den Menschen und das Miteinander der Menschen untereinander. Sie tun gut, die Zehn Gebote – und die vielen anderen Gebote, die sich daraus ableiten. Für die ersten Christinnen und Christen war das ein vertrauter Gedanke, den sie weitertrugen. Das Gebot, die Thora, Gottes Weisung, ist wichtig und gut zum Leben. Sie haben das nicht angezweifelt. Als dann mit dem Apostel Paulus das Evangelium die Grenze von Israel überschritt und sich in Kleinasien und Griechenland verbreitete, stellte sich die Frage, wie es mit den Gesetzen steht. Müssen wir sie halten, um die Gemeinschaft zu schützen? Müssen sich alle beschneiden lassen, um die Gemeinschaft mit Gott zu bekräftigen? Gelten die Speisevorschriften auch für die Getauften?

 

Dies waren Fragen, die im Grunde sicherstellen wollten, dass Menschen sich darüber klar werden, wer gehört dazu und wer nicht? Sehr menschliche Bedürfnisse sind damit verbunden. Klar ist, wer dazu gehört, hat Anspruch auf bestimmte Leistungen wie Taufe, Konfirmation, Gottesdienste – auch anlässlich von Eheschließungen, Trauerfeiern, Seelsorge. Das ist unser Alltag in den Kirchen.

 

Im Wochenspruch lese ich: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ Das sind Worte aus dem ersten Petrusbrief. Und dann denke ich, dass Gott das entscheiden kann. Kirche muss sich immer wieder neu anpassen. Da sind Aktionen wie das Stadtradeln nur ein kleiner Teil davon, den finde ich richtig gut. Wir Menschen brauchen Veränderungen, neue Ideen. Gott bleibt derselbe. Gestern, heute und immer. Gott sei Dank.

Hanne Allmansberger ist Pfarrerin der Kirchengemeinde Nidda


Zerbrochene Seelen

von Ulrich Bauersfeld

für den 4.  August 2024

Pfarrer Ulrich Bauersfeld. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrer Ulrich Bauersfeld. Foto: Daniel Lijovic

Der morgige Sonntag ist – wie in jedem Jahr der zehnte Sonntag nach Trinitatis – der „Israelsonntag“. Wir werden als christliche Gemeinde eingeladen, in besonderer Weise an das Volk Israel zu denken und an das Leid, das es in seiner Geschichte erlitten hat.

 

Seit vielen Monaten sehen wir in unseren Nachrichten die Berichte über das aktuelle Kriegsgeschehen in und um Israel. Unermessliches Leid widerfährt den Menschen auf allen Seiten. Dies macht uns betroffen – ja, oft sprachlos. Wir haben sicher auch eine Meinung zu manchem, was geschieht. Doch wir können im Letzten nichts beurteilen. Wir können nur versuchen, zu helfen – so es uns möglich ist.

 

Eine Hilfe, die wir alle leisten können, ist das Gebet: Wir können immer wieder die Leidtragenden vor Gott bringen – in der Hoffnung, dass er Möglichkeiten weiß, das Leid zu beenden, dass er Wege kennt, die die Verantwortlichen gehen können, und dass er die Kraft hat, den Betroffenen zu helfen.

 

In den kirchlichen Kalendern steht für den Monat August in diesem Jahr folgender Vers: „Der Herr heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ (Psalm 147,3)

 

Die „zerbrochenen Herzen“: In unserer heutigen Sprache können wir vielleicht auch sagen: die „zerbrochenen Seelen“. Neben allem körperlichen Leid, das geschieht, ist da auch ein unfassbar großes seelisches Leid. Vielen Menschen zerbricht förmlich die Seele – bei all dem Leid, das sie ertragen müssen: im Nahen Osten und auch in so vielen anderen Regionen der Erde.

 

Ich weiß nicht, warum das alles geschieht. Ich verstehe nicht, warum Gott das zulässt. Ich erlebe aber Gott als den, der in Jesus Christus in die Welt gekommen ist und der auch heute noch zu uns kommen will – in unser Leben, in unsere Herzen, in unsere Seelen. Ich glaube daran: Er kann die zerbrochenen Seelen heilen. Er kann ihnen neue Kraft und Hoffnung geben – auch dann, wenn die Ereignisse des Lebens kaum noch zu ertragen sind.

 

Und so will ich uns diesen Satz zurufen – diesen alten Satz aus den Psalmen, aus dem Gebetbuch Israels: „Der Herr heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ Lasst uns versuchen, diesem Gott zu vertrauen, dass er die zerbrochenen Seelen nicht allein lässt, dass er Heilung schenken kann – auch da, wo es uns unmöglich erscheint. Lasst uns zu ihm beten – für Israel und für alle anderen Leidtragenden.

Ulrich Bauersfeld ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Wenings/Merkenfritz und stellvertretender Dekan im Dekanat Büdinger Land


Von Wahrsagern und Wahrheitssagern

von Renate Nagel-Kroll

für den 28. Juli 2024

Renate Nagel-Kroll. Foto: Daniel Lijovic
Renate Nagel-Kroll. Foto: Daniel Lijovic

„Schäfchen zur Linken – das Glück wird Dir winken – Schäfchen zur Rechten ..." Wie geht eigentlich dieser Satz weiter? Ja, wenn das so einfach wäre mit dem Glück und dem Vorahnen der Zukunft …

 

Ist es nicht so, dass ein positiver Satz mich gelassener in den Tag gehen lässt, eine negative Aussage mich aber schon gleich negativer stimmt? Manchmal passieren dann tatsächlich Dinge, die ich befürchtet hatte. Dabei handelt es sich oft um den Effekt der sogenannten „self-fulfilling prophecy“, heißt: Wenn ich zum Beispiel morgens mit dem „falschen“ Fuß aufgestanden bin und in meinem Horoskop etwas von einem „drohenden Problem“ zu lesen ist, erwarte ich gar nichts Gutes mehr von diesem Tag, mein Fokus ist auf das Negative gerichtet und dann wird mir mit großer Wahrscheinlichkeit auch etwas Unschönes begegnen oder so manches nicht glatt laufen.

 

Von der „sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung“ mache ich jetzt einen Sprung zu den Propheten. Was sind oder waren das für Leute? Seher, Unheils- und Heils-Verkünder, Stimme Gottes in der Öffentlichkeit, von Gott Berufene … In der Bibel finden sich einige von diesen „Gottesmännern“ und auch Prophetinnen werden erwähnt – geistbegabte Frauen wie Mirjam, Debora oder Hanna. Nicht alle haben Ihren Auftrag gleich freiwillig übernommen. Am bekanntesten ist vielleicht Jona, der zunächst die Flucht ergreift, dann im Bauch eines Fisches landet und schließlich die Menschen in Ninive eher unverhofft zur Umkehr ihres Lebenswandels bewegen kann.

 

Der Satz eines Professors in meinem Studium ist mir bis heute in Erinnerung geblieben: „Ein Prophet ist nicht einer, der etwas vorhersagt, sondern einer, der etwas HERVORsagt!“ So gesehen sind Propheten keine Wahrsager, sondern Wahrheits-Sager: so und so sieht es in der Welt gerade aus und wenn wir so weitermachen, wird es die und die Auswirkungen haben – ein hochaktuelles Thema! Fast täglich hören wir davon: Klimawandel. Erderwärmung, Waldsterben, Umweltzerstörung… Aber all das wissen wir ja nicht erst seit gestern, eher seit vor-vor-gestern!

 

Sind die Propheten vor 40, 50 Jahren nicht gehört worden? Warum wurden eigentlich die Jute-Taschen, die wir in den Achtzigern benutz haben, durch Plastiktüten abgelöst? Und was sich heute „Up-Cycling“ nennt, haben wir damals schon in der kreativen Arbeit mit Kindern ähnlich gehandhabt. Immerhin: Mittlerweile gibt es die getrennte Müllsammlung, Waschmittel ohne Phosphate, Second-Hand-Läden, Car-Sharing u.ä. Warum? Weil sich problembewusste Menschen dafür eingesetzt und Warnungen von Fachleuten ernst genommen haben. Wenn also viele an einem Strang ziehen, kann das durchaus zum Erfolg führen.

 

Die Propheten und Prophetinnen – die „Hervor-Sager/innen“ - es gibt sie auch heute. Und vielleicht gehören wir selber ebenfalls dazu – sei es durch Teilnahme an lautstarken Protesten oder ganz einfach durch unser Vorbild-Verhalten, das durchaus nicht versteckt bleiben muss. Wir tragen Verantwortung – für uns und die kommenden Generationen. Nehmen wir sie an – und bitten wir um Gottes Hilfe zur Unterscheidung der „Geister“ – ganz im Sinne des Monatsspruchs für Juli (2. Mose/Exodus 23,2): „Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“

Renate Nagel-Kroll ist Gemeindepädagogin in der Arbeit für und mit Familien

 


Alles muss klein beginnen

von Reiner Isheim

für den 7.  Juli 2024

Pfarrer Reiner Isheim. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrer Reiner Isheim. Foto: Daniel Lijovic

„Alles, was bei Gott seinen Anfang nimmt, auch wenn es klein beginnt, wächst still und stetig unter seiner Hand wie ein Samenkorn aus seiner Hand.“ So beginnt eines der neuen Kirchenlieder. Mir scheint es in der Tat so zu sein, dass Gott gerne klein und unscheinbar beginnt. So kann man es in der Bibel lesen. Die Geschichte des auserwählten Volkes beginnt mit einem alten Wanderhirten und seiner Frau, die irgendwo im Orient unterwegs sind. Sie nehmen die Gottesboten auf in ihrem Zelt, die ihnen ein Kind verheißen, obwohl sie schon alt sind.

 

Viel Später: Aus dem Kind des Wanderhirten ist ein Volk geworden. Als dieses auserwählte Volk verschleppt in der Fremde Zwangsarbeit leisten muss und am Ende zu sein scheint, lässt Gott durch einen Propheten ausrichten: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen.“ So geschieht es auch.

 

Und wieder setzt Gott neu an. In Jesus kommt er zur Welt, als ein Säugling, als Kind eines Bauhandwerkers und seiner jungen Frau in einem ziemlich abseitigen Winkel der damaligen Welt. Erwachsen geworden, redet er mit den einfachen Leuten in einfachen Worten. Mit den Gelehrten seiner Zeit diskutiert er meistens ziemlich konträr. Am Ende wird er von den Mächtigen hingerichtet.

 

Und wieder fängt es klein an. Seine Auferstehung bleibt im Dunkel des Ostermorgens verborgen. Erst nach und nach fassen seine Anhänger die Hoffnung, dass er weiterhin da ist – auf eine eigenartig ungreifbare Weise.

 

Jesus selbst vergleicht das Reich Gottes mit einem kleinen Samenkorn, das aufgeht und nach und nach eine große Pflanze wird.

 

Der Apostel Paulus, einer der ersten Sendboten des Christentums hier in Europa, hat in einem seiner Briefe geschrieben: „Was gering ist vor der Welt, das hat Gott erwählt.“

 

So weckt Gott in denen, die ihm vertrauen, immer wieder die Hoffnung, Ein Zeichen dafür ist mir mein Buchsbaum geworden. Seit einigen Jahren ist der Buchsbaumzünsler im Lande, der die Buchsbäume radikal abfrisst. So erging es auch meinem, er war kahlgefressen und wir haben ihn ausgerodet. Doch nun ist an genau der Stelle, wo der Alte stand, ein neuer kleiner Buchsbaum gewachsen, ganz ohne mein Zutun. Und ich habe gehört, dass inzwischen die heimischen Vögel anfangen, den Zünsler als Futter anzunehmen. Nun, wir werden sehen. Doch die Hoffnung, die ist da. Und bleibt.

Reiner Isheim ist Pfarrer in den evangelischen Kirchengemeinden Nidda, Stornfels, und Ulfa


Alte Spieler, alte Autos und ein alter Glaube

von Ulrich Bauersfeld

für den 30.  Juni 2024

Pfarrer Ulrich Bauersfeld. Foto: Daniel Lijovic
Pfarrer Ulrich Bauersfeld. Foto: Daniel Lijovic

Manchmal kehren auch alte Besen gut. Nicht immer. Aber manchmal sind die alten Gerätschaften oder Werkzeuge halt doch die besten. Das Alte ist nicht immer gut, keineswegs. Oft ist es nötig und sinnvoll, etwas Neues auszuprobieren. Doch manches Alte hat dann vielleicht immer noch seinen Platz.

 

Im Moment freuen sich viele von uns an der Fußball-EM. Für den Erfolg ist es sinnvoll, denke ich, eine gute Mischung aus „Alt und Jung“, „Erfahren und Neu“ zu finden. So glänzen die jungen Stars wie Musiala und Wirtz mit ihrem frischen Spiel. Doch auch die etwas älteren Spieler wie Kroos und Gündogan sind mit ihrer Erfahrung wichtig.

 

Bewährtes Altes behalten – und zugleich immer wieder auch etwas Neues versuchen: Das ist oft ein guter Weg. (Auch wenn manche von uns sich vielleicht noch nicht so ganz an den Versuch des neuen „Auswärtstrikots“ der DFB-Elf gewöhnt haben ....)

 

Bewährtes Altes: Das gibt es an diesem Wochenende auch in Wenings auf dem „Markt“ zu sehen. In der Oldtimer-Ausstellung werden - wie in den vergangenen Jahren - wieder viele Traktoren und andere historische Autos zu bewundern sein. Das „Alte“ hat hier seinen besonderen Reiz.

 

„Alt“ ist auch der christliche Glaube. 2000 Jahre liegt die Auferstehung Jesu zurück. Und noch viel weiter in der Vergangenheit liegen viele Erfahrungen, die Menschen mit Gott gehabt haben, von dem die Bibel erzählt.

 

„Zuflucht ist bei dem alten Gott und unter den ewigen Armen“ heißt es in 5. Mose 33,27. Der Dichter Jochen Klepper greift diesen Satz am Beginn eines seiner Lieder auf. Ja, Gott ist eine „alter Gott“. Er ist schon ewig da. Und auch der Glaube an ihn ist ein „alter Glaube“, der schon seit Jahrtausenden vielen Menschen Kraft gibt. Ich finde es gut, in diesem alten Glauben an diesen alten Gott leben zu dürfen – in der Gemeinschaft mit vielen Menschen, die vor mir gelebt haben und nach mir leben werden.

 

Dieser alte Glaube kann für sich immer wieder neue Formen finden, in denen er gelebt wird – so wie auch Gott selbst immer wieder neue Bilder, Worte und Töne nutzt, um sich uns zu zeigen, um zu uns zu kommen, um in uns zu wirken. Seien wir offen dafür – offen für den alten Gott, wie auch immer und durch wen auch immer er sich uns offenbaren will.

Ulrich Bauersfeld ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Wenings/Merkenfritz und stellvertretender Dekan im Dekanat Büdinger Land

 


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