von Renate Schubert
für den 26. Mai 2024
In einem Tanzkreis, den ich gelegentlich abends besuche, wird ein neuer Tanz angekündigt: „Löwenzahn“. Ein Raunen geht durch den Kreis. „Das ist doch Unkraut!“
Manche haben noch etwas Erde unter den Fingernägeln ... Es war mühsam für sie am Nachmittag all die sogenannten Unkräuter und die vielen Löwenzahn-Pflanzen auszurupfen. Vielleicht stöhnen Sie jetzt, weil es in der letzten Zeit durch die Feiertage so viel Gelegenheit gab, dass die Pflänzchen auch bei Ihnen gedeihen und sich ausbreiten. Also machen sie Arbeit …
Doch der Tanz kam gut an, denn er drückt die verschiedenen Phasen der Blume in Bewegungen aus. Mir hat es Spaß gemacht und ich will Sie einladen, dem Löwenzahn eine neue Chance zu geben. Ich möchte den Löwenzahn als Wunderwerk in Gottes Schöpfung betrachten. Die Pflanze ist tief verwurzelt in der Erde. Gleichzeitig entwickelt sie einen wunderzarten Ball mit Schirmchen, die nur einen Windhauch brauchen, um abzuheben.
Aber von ganz vorne: zwei zarte, grüne Blättchen wachsen an einem grünen Trieb. Fast überall finden sie genug zum Leben: in Mauerritzen, am Straßenrand, mitten im Rasen, im Kopfsteinpflaster. Bald entwickelt sich eine relativ große Knospe, in der eine gelbe Blüte entsteht. Wenn sie verblüht, schließt sich der Kopf noch einmal, bevor der faszinierende Ball zu sehen ist. Er besteht aus vielen kleinen Samen, die jeweils ein weißes Schirmchen an sich haben. Luft – gepustet aus Kindermündern oder vom Wind – lässt die kleinen Gebilde fliegen…
Ich finde, da gibt es viel zum Staunen. Und vielleicht kann man die verschiedenen Phasen im Leben des Löwenzahns nicht nur im Tanz nachempfinden, sondern sogar als Vergleich für Gott nehmen. Gerade so kurz von dem Sonntag der Dreieinigkeit. Wie können wir uns das vorstellen: Gott ist eins und doch zugleich drei? Die Pflanze Löwenzahn ist eins und wächst aus einem kleinen Körnchen – darin kann ich Gottes Schöpfung sehen. Als gelbe Blüte bietet sie Insekten Raum und Nahrung – im Vergleich steht sie für das Leben von Jesus Christus. Und schließlich die Samenkörnchen, die in ungeahnter Menge in die Welt geschickt werden und die Saat weitertragen – sie lassen an Gottes Geistkraft denken. Mit Geistkraft kann man das hebräische Wort „Ruach“ übersetzten, das auch Wind und Hauch meint. Die Geistkraft beschreibt, wie Gott in der Welt wirkt.
So neu betrachtet empfinde ich den Löwenzahn als Wunderwerk in Gottes Schöpfung. Und dabei war noch gar nicht die Rede davon, dass der Löwenzahn von Mensch und Tier gegessen werden kann oder dass er auch heilende Wirkung hat. Ich wünsche ein gesegnetes Fest der Dreieinigkeit Gottes.
Renate Schubert ist Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinden Hainchen und Rommelhausen
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