von Andreas Weik
für den 28. April
Die einen singen, weil sie froh sind, und die anderen singen und werden darüber froh. “Wie gut, dass wir gesungen haben“, sagte mir eine Frau nach der Trauerfeier, die ich vertretungsweise in einem benachbarten Ort übernommen hatte. Dies sei im Dorf nicht mehr selbstverständlich.
Wie passend, dass es diesmal anders war, denn die Frau, die zu Grabe getragen wurde, habe doch selbst so gerne gesungen. In der Tat zeigte sich die Trauerhalle bei diesem nasskalten Wetter wenig tröstlich. Der Bestatter hatte sich mit dem Arrangement viel Mühe gegeben, doch die Kälte kroch aus den Waschbetonplatten die Stühle empor. Ein Instrument ist in dieser Trauerhalle nicht vorgesehen. In ähnlichen Fällen wird dann aus der Not heraus z.B. Andreas Gabalier eingespielt mit seinem Lied „Amoi seg ma uns wieder“. Ob das trösten kann? Vielleicht. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Jetzt hatten sich die Angehörigen für zwei Lieder aus dem modernen christlichen Liedgut im neuen Anhang zum Gesangbuch entschieden. Unsere Kantorin hatte es zuvor auf der Orgel eingespielt und dem Enkel aufs Handy übermittelt. Die Jugend ist uns Alten in solchen Dingen sowieso weit voraus. Die versammelte Trauergemeinde ließ es sich nicht nehmen und stimmte zahlreich und gut mit ein. So wurde es ein würdiger und warmer Abschied und auf einmal war etwas von einer christlichen Gemeinschaft zu spüren. Die vielen Stimmen haben einander getragen und konnten so einen tröstlichen Beitrag leisten.
Singen vermag für einen Moment trübe Gedanken zu vertreiben und kann trösten. Ich kann mit einstimmen, so, wie mir danach ist, muss es aber auch nicht, sondern kann in mir still mitsingen oder auch nur zuhören.
Singen macht froh und fördert das Lebensglück, das ist wissenschaftlich erwiesen. Singen beflügelt, das erleben Fußballer bei jedem Heimspiel durch die Fangesänge. Singen trainiert Muskeln, die sonst verkümmern und erreicht und streichelt Körperstellen, an die selbst Yogaübungen nicht heranreichen. Gemeinsames Singen verlangt, dass die Singenden aufeinander hören und sich nicht in den Vordergrund drängen. Eine in unserer auf Selbstdarstellung und Selbstoptimierung ausgerichteten Gesellschaft ein unverzichtbares Übungsfeld.
Wie gut, dass in Schulen gesungen wird. Wie schön, dass Gesangvereine die Pandemie überlebt haben. Sie freuen sich immer über Sängerinnen und Sänger, selbst wenn sie nur einmal reinschnuppern wollen. Neue Formen wie Rudelsingen erobern den musikalischen Markt. Das zeigt, dass ein Bedürfnis nach gemeinsamem Singen vorhanden ist. Am Sonntag, 28. April, feiern wir im Evangelischen Kirchenjahr Kantate, das bedeutet: Singet. Es wird in den Gottesdiensten viel gesungen werden. Schnuppern sie ruhig einmal herein und vielleicht machen auch Sie die Erfahrung: Die einen singen, weil sie froh sind, und die anderen singen und werden darüber froh.
Andreas Weik ist Pfarrer der Kirchengemeinde Büdingen mit Calbach und Orleshausen
Evangelisches Dekanat Büdinger Land | Bahnhofstraße 26 | 63667 Nidda
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